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Anna FastabendMidlife MonologeKinderlos – und mir geht es gut damit

Foto: Fo­to:­ Karolina El Lobo

Ich sitze vor einem Café und drücke mich noch ein wenig vor dem Arbeiten. Vor mir steht ein Cappucino, da läuft eine Mutter an mir vorbei. Ich vermute, dass sie Mutter ist, wobei sie auch irgendeine andere Frau mit Care-Auftrag sein könnte. Jedenfalls schiebt sie einen Baggy, in dem ein Kind sitzt, das sich lautstark bei ihr beschwert. Unsere Blicke treffen sich, und ich meine, so etwas wie Sehnsucht in ihren Augen lesen zu können, die eigenen Bedürfnisse nicht dauernd hintenanstellen zu müssen. Ich lächele sie mitfühlend an. Im Gegensatz zu ihr habe ich keine eigenen Kinder und bin die meiste Zeit froh darüber, denn ich liebe es, mit mir alleine zu sein. Ich lese dann, denke nach, schreibe, gehe ins Theater oder fahre spontan für ein paar Tage weg. Mal abgesehen davon bin ich auch ohne Kinder ein fürsorglicher Mensch. Ich kümmere mich gerne um meine Familie und Freund*innen, ich betreue journalistischen Nachwuchs, und dann muss ja auch noch jemand meine Wäsche waschen, und das bin dann ja wohl ich.

Es ist ein Trugschluss, dass alles immer nur von der Kleinfamilie abgedeckt werden muss. Mein neuer Freund und ich, wir sind Familie füreinander. Zum Geburtstag schenkte mir eine meiner besten Freundinnen einen kleinen Glitzerhut, auf dem „Happy Birthday“ stand, und ich habe mich herrlich bemuttert gefühlt. Ostern verbrachte ich bei meinen Nachbarn, mit denen ich Crémant trank und ausgepustete Eier bemalte. Das Kinderthema ist trotzdem omnipräsent. Die meisten aus meinem Freundeskreis sind mittlerweile Eltern, andere probieren es noch. Als Kinderlose bin ich mit einem Mal in der Unterzahl und muss mich in meiner neuen Rolle noch zurechtfinden. Unabhängig von meiner geringen Eizellreserve fühlt sich die Welt für mich aber immer weniger nach einem guten Ort für die Gründung einer eigenen Familie an. Frauenrechte werden derzeit brutal beschnitten, die soziale Ungerechtigkeit nimmt zu. Viele Mütter, die ich kenne, klagen über Stress und Performancedruck. Sie führen ermüdende Diskussionen zur Arbeitsaufteilung oder nervenaufreibende Sorgerechtsstreite. Mit ihnen tauschen möchte ich nicht, zumal ich den Lohn für all die Strapazen ja schon erlebt habe. Eine Kindheit: meine. Und diese besondere Bindung auch: nämlich die zu meinen Eltern.

Nach einem persönlichen Essay über Mutterschaft stellte mich jemand als Opfer der Emanzipation dar, weil ich angeblich deshalb viel zu lange mit dem Kinderkriegen gewartet hätte. Was für ein Bullshit! Ich kann der Frauenbewegung gar nicht genug danken, dass sie mir einen Raum eröffnet hat, in dem ich zögern, zweifeln und abwägen konnte. In dem es alleine bei mir lag, ob ich Mutter werden will oder nicht. Wobei: Wie frei war ich wirklich? Vielleicht wollte ich – von ein paar hormonellen Irrungen und Wirrungen mal abgesehen – ja noch nie wirklich ein Kind, aber habe mich nicht getraut, mir das einzugestehen. Aus Angst, verlassen zu werden, und weil kinderlose Frauen trotz all der feministischen Kämpfe selbst im 21. Jahrhundert noch immer schief angesehen werden. Jetzt bin ich da zum Glück weiter. Mit 40. In einer Großstadt lebend, wo die Lebensentwürfe viel mannigfaltiger sind als auf dem Land. Aber muss da nicht noch etwas kommen?, fragte neulich eine Freundin. Finde ich nicht. Denn es kann ja auch einfach mal schön sein, wie es ist.

Für mich fühlt sich die Welt immer weniger nach einem guten Ort für die Gründung einer eigenen Familie an

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