Urlaub in Schweden: Ferienhäuser und andere Zumutungen
Schwedenhäuschen, zivilisationsferne Idylle. Urlaub kann so schön sein! Oder eine nicht enden wollende Baustelle.
I ch habe es geschafft: in mein rotes Häuschen am Meer. Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich auf einen Baum mit prächtigen weißen Blüten, dahinter die Sauna und ein Steg. Schon auf der Fähre bin ich euphorisch: überall diese niedlichen Inseln, dazu All-you-can-drink-Kaffee und eine Tüte mit extra saurem Fruchtgummi, der mir den Gaumen aufscheuert. A., der ja eigentlich Urlaub fernab der Zivilisation machen wollte, wird immer wortkarger, je weiter wir die breite Schotterstraße entlang stapfen. Ein Schwedenhäuschen neben dem anderen, auf der Uferseite Motoryachten. Ich will gerade das erste instagram-taugliche Foto machen, da stellt sich unser Vermieter als Ikea-Mitarbeiter im Homeoffice und Autor zweier unveröffentlichter Romane vor.
Im Gegensatz zu den meisten auf der Insel bewohnt er ein renovierungsbedürftiges Holzhaus, das er sich während der Pandemie gekauft hat. Daneben die Ferienhütte, in die wir einziehen sollen. Idyllisch ist es hier, aber auch eine nicht enden wollende Baustelle.
Steinhäufchen, verwittertes Holz, Abdeckplanen. Der Aussteigertraum ist harte Arbeit. Gemeinsam stapfen wir einen Granitfelsen hinauf, wo er uns das Plumpsklo zeigt. Niedlich! Aber Sägespäne auf Kacke wie Parmesan auf Pasta streuen weniger. Doch als Hauptgegner unserer Entspannungsgelüste erweist sich die Schlafstätte: eine 1980er-Jahre-Ausziehcouch mit durchgelegener Matratze, bei der man ohne eigenes Zutun in die Mitte kugelt. A. und ich bauen das Ding dreimal um, inklusive sämtlicher Elemente des Zusatzbettes, schlucken prophylaktisch Schmerzmittel und wachen trotzdem fast krankenhausreif auf. „Ich will zurück ins Hostel!“, ruft A. verzweifelt und zählt lang und breit die Vorzüge einer Hotelmatratze auf. Ich finde das zwar anstrengend, aber nehme es als Preis für mein Wunschreiseziel gerne in Kauf.
A.s Befürchtung, in einer etwas besseren Schrebergartensiedlung zu landen, scheint sich allerdings zu bewahrheiten. Denn naturbelassen ist unsere Insel schon lange nicht mehr, auch wenn wir extra an den äußersten Rand der Stockholmer Schärengärten gefahren sind. In einem Moment wandern wir durch verwunschene Landschaften mit duftendem Moos und Hainen voller Heidelbeeren.
Im nächsten stehen wir vor gestutztem Rasen, Hollywoodschaukel, Kugelgrill. „This is private property“, ruft uns ein Zweitwohnsitz-Gartenzwerg entgegen, als wir Löwenzahn für unsere Frühlingskräutersuppe zupfen. Dabei gilt hier doch eigentlich das schwedische „Jedermannsrecht“. Es besagt, dass man sich überall frei bewegen, Pilze, Kräuter und Beeren sammeln kann. Frust macht sich breit.
Auf einer sumpfigen Wiese haben wir dann aber doch noch ein Naturerlebnis. Obwohl ich Insektenschutz trage, entdecke ich eine Zecke am Bauchnabel. „Hilfe!“, schreie ich und werde umso panischer, als mir eine zweite in den Hals beißen möchte. Wir retten uns auf den nahen Waldweg, aber da rast auch schon ein Seniorenpärchen im Quad auf uns zu. Während wir niedergeschlagen nach Hause gehen, kommt mir eine Idee. „Weißt du was? Jetzt machen wir den Saunaofen an.“ Nach dem ersten Aufguss sitzen wir in weiche Handtücher gepackt am Steg und blicken auf die kleinen Wellen in der Bucht. Ein leichter Wind weht, die Abendsonne wärmt uns. „Hier lässt es sich aushalten“, sagt A. Ich greife nach seiner Hand.
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