das portrait: Ann-Kathrin Berger ist einfach lässig
In der 39. Minute des Spiels Schweden gegen Deutschland hätte Ann-Kathrin Berger um ein Haar einen bösen „Ich hab’s dir doch gesagt“-Moment erlebt. Im eng besetzten Strafraum wird die Torhüterin von Sarai Linder angespielt, und statt den Ball weit abzuschlagen oder direkt weiterzuleiten, nimmt Berger diesen erst mal an, legt ihn sich ruhig vor, als würde da nicht die schwedische Stürmerin Stina Blackstenius auf sie zupreschen, und spielt den Ball dann – es ist nahezu unausweichlich – in Blackstenius’ Beine. Glück, dass der darauf folgende Torabschluss der Schwedinnen danebenging.
Ja, Berger dribbelt gerne. Und meistens gelingt ihr das ganz ausgezeichnet. Nur kann dieses selbstbewusstes Spiel der Torhüterin zu erhöhtem Puls führen, zum Beispiel bei ARD-Kommentatorin Stephanie Baczyk, der im Spiel gegen Dänemark nach einer Aktion der Schwäbin „das Herz in die Hose rutschte“, oder bei Bundestrainer Christian Wück, der auf der Pressekonferenz nach dem zweiten Vorrundenspiel sagte, spiele Berger weiter so, „werde er nicht alt“.
Berger und Wück haben sich anschließend über ihre Spielweise unterhalten, was genau dabei herauskam, ist nicht bekannt. Ein großer Unterschied in der Spielweise zeichnete sich in der Partie gegen Schweden jedenfalls nicht ab. Gegenüber der ARD kommentierte Berger, sie spiele eben so, wie es die Situation erfordere.
Ann-Kathrin Berger ist eben eine gestandene Torhüterin, die weiß, was sie will. Mit ihrer ruhigen, nüchternen Art und ihrer Körpergröße (1,80) ist sie wie für diesen Job geschaffen. Präzise Abschläge, Überblick, Ruhe bewahren – das hat sie alles drauf. Und ja, eben auch das aktive Mitspielen zählt zu ihren Stärken.
Die Grundlagen dafür wurden früh geschaffen. Berger war in ihrer Jugend Offensivspielerin, erst mit 16 Jahren wechselte sie ins Tor. Ungewöhnlich spät wurde sie in die A-Nationalmannschaft berufen, 30 Jahre war sie da schon alt und hatte eine Schilddrüsenkrebsbehandlung hinter sich. Die Diagnose bekam sie zwei Jahre später erneut und wieder gelang die Genesung. Die heutige physische und mentale Stärke der 34-Jährigen beeindruckt vor diesem Hintergrund umso mehr.
Berger ist der Typ „coole Oldschool-Fußballerin“. Als sie letzten November zur Torhüterin des Jahres der US-amerikanischen Liga NWSL gewählt wird, wo sie für den Gotham FC spielt, ist ihr das fast peinlich. Etwas beschämt lächelt sie, fährt sich mit der Hand durchs Gesicht, geht, auf den Boden schauend, nach vorne und nimmt ihren Preis entgegen. Auf ihrer Insta-Seite ist das einer der letzten Posts. Lifestyle-Stories, Influencerei und Selbstvermarktung – so was braucht Ann-Kathrin Berger nicht. Marie Gogoll
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