Anleitung zum Kirchenaustritt: Ausstieg leicht gemacht
Liebäugeln Sie schon lange mit dem Austritt aus der katholischen Kirche? Vor allem jetzt, wegen des Streits um einen Holocaustleugner? Nichts einfacher als das. Ein Wegweiser.
![](https://taz.de/picture/362825/14/benedikt_b.jpg)
Bayern: 31 Euro
Baden-Württemberg: bis 60 Euro
Berlin: kostenlos
Bremen: kostenlos
Brandenburg: kostenlos
Hamburg: 31 Euro
Hessen: 25 Euro
Meckl.-Vorpommern: 10 Euro
Niedersachsen: 24 Euro
Nordrhein-Westfalen: 30 Euro
Rheinland-Pfalz: 20,45 Euro
Saarland: 30,70 Euro
Sachsen: 20,45 Euro
Sachsen-Anhalt: 25 Euro
Schleswig-Holstein: 10 Euro
Thüringen: kostenlos
Weitere Infos: www.kirchenaustritt.de
Sie sind katholisch, haben aber seit Jahren keine Kirche mehr von innen gesehen? Sie könnten das Vaterunser zwar noch, aber bereits beim Glaubensbekenntnis würden Sie ins Stottern kommen? Die Friedensbotschaften Sanctus, Benedictus und Agnus Dei sind Ihnen auch keine Begriffe mehr? Und der Abschnitt auf Ihrer Steuererklärung übertitelt mit Kirchensteuer ist Ihnen ebenfalls schon lange ein Dorn im Auge? Dann sind Sie der perfekte Austrittskandidat. Und wenn nicht jetzt, wann dann? Angesichts des Streits über den Holocaust-Leugner Bischof Williamson und des ungeschickten Umgangs des Papstes damit könnten Sie Ihren Kirchenaustritt zusätzlich mit einer politischen Botschaft aufplustern.
An und für sich ist der Austritt auch kein kompliziertes Unterfangen. Sie packen Ihren Personalausweis oder Reisepass ein, suchen je nach Bundesland entweder das Amtsgericht (Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen) oder das Standesamt (alle anderen Bundesländer) auf und füllen das in der Regel vorgefertigte Austrittsformular aus. Ein völlig unspektakulärer Vorgang. Denn weder müssen Sie bei einem Pastor vorsprechen noch sich sonst vor irgendjemand rechtfertigen. Sie können einfach das taz-Austrittsformular downloaden, ausfüllen und abschicken. Schließlich hat jede Person hat qua Verfassung ein Austrittsrecht. Das reicht zur Begründung. Nicht einmal mit hohen Kosten ist der Austritt verbunden. In den meisten Bundesländern kostet Sie der Austritt zwischen 10 und 31 Euro, in den weitgehend säkularisierten Stadtstaaten Berlin und Bremen ist dieser sogar kostenlos. Nur in einzelnen schwäbischen Kommunen kann es schon mal vorkommen, dass Sie 60 Euro oder mehr hinblättern müssen.
Doch aufgepasst: Die Tücke steckt im Detail. Wer zum Beispiel im StudentInnenalter von 19 oder 20 Jahren seinen Austritt schon einmal erklärt hat, dem kann passieren, dass mit dem Eintritt ins Berufsleben einige Jahre später auf der Steuerbescheinigung der Posten Kirchensteuer trotzdem aufgelistet ist. Offensichtlich spekuliert die Kirche darauf, dass ihre ehemaligen Mitglieder die Austrittsbescheinigung nicht aufbewahren, und fordert dann oftmals Jahre später einen Beweis dafür.
Und in der Tat: Nach derzeitiger Rechtslage sind Sie in der Pflicht, Ihren Weggang nachzuweisen. Können Sie das nicht, könnte Ihnen gar eine saftige Nachzahlung drohen. Gerade in Bundesländern mit großen Mitgliederverlusten, wie zum Beispiel Berlin, versuchen die Bistümer auf diese Weise, die Kirchenkassen zu füllen.
Auch über die Folgen des Austritts sollten Sie informiert sein. Sofern der Arbeitgeber ein kirchlicher Träger ist - und davon gibt es hierzulande mit Caritas, Diakonischem Werk und dem Büchereiverbund Borromäusverein eine ganze Reihe -, kann Ihnen ohne Weiteres gekündigt werden. Auch wer sein Kind gerne in einen der allseits beliebten katholischen Kindergärten oder Schulen anmelden möchte, hat mit einem Austrittsgesuch schlechte Karten. Und als Taufpate oder Trauzeuge fallen Sie ebenfalls aus. Sorge, dass Sie im Todesfall in einer Müllkippe landen, müssen Sie aber nicht haben. Friedhöfe nehmen auch Ungläubige bei sich auf.
Im Übrigen: So sehr dramatisieren müssen Sie Ihre Austrittsüberlegungen nicht - denn Sie können problemlos immer wieder eintreten. Zumindest der strengen katholischen Lehre zufolge kennt die Kirche zwar Rausschmiss, aber keinen Austritt. Wer einmal getauft ist, bleibt es sein Leben lang. Wer hingegen wirklich dem Vatikan für immer den Rücken kehren möchte, müsste den Papst schon schwerwiegend brüskieren - oder den Holocaust leugnen. Und selbst das ist bekanntlich nur Theorie.
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