■ Anklage gegen neun Polizisten: Gegen die Bequemen
Eigentlich ist der Vorgang nichts Ungewöhnliches. Neun Berliner Polizisten müssen sich demnächst vor Gericht verantworten – wie Tausende anderer Bürger in anderen Fällen auch. Daß die Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen Beamte einer Kreuzberger Hundertschaft erhoben hat, kommt gerade deshalb einer kleinen Sensation gleich, weil man sie schon gar nicht mehr erwartet hatte. Allzuoft endeten Ermittlungen gegen Polizeibeamte wie in den realistischen französischen und italienischen Kriminalfilmen der siebziger Jahre: Im Zweifel stets für die Staatsräson.
Als im Sommer 1994 die Meldungen über Mißhandlungen von Ausländern nicht abreißen wollten, sangen der Innensenator und der Polizeipräsident das altbekannte Lied von den „schwarzen Schafen“. Die Verfolgung von Einzelfällen ist notwendig, nicht weniger dringend aber eine grundlegende Reform der Hauptstadtpolizei. Verstanden haben sich die Verantwortlichen bislang mehr auf Showeffekte – angefangen vom Pflichtbesuch in einer Moschee bis hin zu verkrampft-verklemmten Goodwill-Aktionen mit Vietnamesen. Fehlanzeige hingegen bei institutionellen und gesetzlichen Hilfen für Polizisten, die sich nicht dem Kadavergehorsam unterordnen wollen.
Noch immer hilft die absurde Logik des Gesetzes den Verschleierern. Einem Beamten, der die Prügelaktion seiner Kollegen nicht sofort, sondern erst einige Tage später meldet, droht eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt. So richtig also die Verfolgung von Vergehen für die psychologische Binnenwirkung in der Behörde ist, so falsch sind die Hoffnungen, die mit den Sanktionierungen durch die Justiz verbunden werden. Für den Innensenator und die Polizeiführung allerdings ist dies der bequemere Weg. Severin Weiland
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