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AnimationsfilmVon Ratten und Menschen

Kommentar von Martin Zeyn

Wenn Ratten in der Küche erwünscht sind: In Brad Birds Animationsfilm "Ratatouille" aus dem Hause Pixar schwingt ein Nager den Kochlöffel.

Hobbykoch und bekennender Menschenfreund: Ratte Remy. Bild: buena vista

E in Mensch als Marionette. Die Ratte Remy, begabt mit einem subtilen Geruchssinn und beseelt vom Wunsch zu kochen, sitzt auf dem Kopf des schlaksigen Küchengehilfen Linguini. Verborgen durch dessen Haube bringt sie ihm durch das Ziehen an Haarsträhnen das Kochen bei. Nicht einfach so, sondern damit er sich im Trubel eines Spitzenrestaurants behaupten kann.

Der neue Pixar-Film erzählt eine unmögliche Geschichte: Ein Versager wird zum Restaurantchef. Und eine Ratte wird gefeierter Sterne-Koch - obwohl ihr der Vater ständig in Schaufenstern ausgestellte Rattenkadaver in Fallen präsentiert, um sie von dem Vorhaben abzubringen. Denn: Ratten und Menschen, das geht nicht zusammen. Und Nager in der Küche gehen schon gar nicht. Remy erhält seine Chance, als er Linguini hilft, eine ruinierte Suppe in eine Geschmacksexplosion zu verwandeln. Im Gegenzug ertränkt Linguini ihn nicht. Von nun an arbeiten die beiden gemeinsam in der Küche.

So viel Körperkomik wie in "Ratatouille" gab es seit der Stummfilmzeit nicht mehr zu sehen. Nicht nur beim rasanten Slapstick verschlägt einem die Animation immer wieder den Atem. Zum ersten Mal gelingt dem Trickfilm auch ein flirrend herbstliches Abendlicht, das den Schauplatz Paris vergoldet. Mindestens genauso eindrücklich, wenn auch nicht so überwältigend, ist das Figurendesign. Ohne jede Anleihe an den erfolgreichsten Nager der Welt, Mickymaus, gelingt es dem Team, die Ratten als niedliche Wesen zu zeichnen. Zugleich aber gibt es auch immer wieder Schattenrisse mit rot aufleuchtenden Augen, die die klischeehafte Bedrohung heraufbeschwören.

Man merkt, dass Regisseur Brad Bird noch bei den "nine old men" gelernt hat, jenen Männern, die über Jahrzehnte bei Disney an der Verfeinerung der Animation gearbeitet haben. Deren Credo lautete: "Everything has to be motivated." Auf der Darstellungsebene heißt das: eine Logik der Bewegung festzulegen, die nicht realistisch, aber in sich stimmig sein muss. Im konkreten Fall bedeutet das: Durch Detailversessenheit bekommt gute Animation es hin, dass eine Ratte Suppe kocht, obwohl der Topf sie überragt. Jede Handlung wird in "Ratatouille" sinnfällig aufgebaut, kein Schnitt kürzt hier unzulässig ab.

Motivation heißt aber auch: klare Dramaturgie. Erst entfremdet sich Remy von seinen Artgenossen, dann von den Menschen. Zu wem gehört er wirklich? Als alles verloren scheint, steht seine Familie ihm bei, das Unmögliche zu versuchen: den verhärmten Großkritiker Ego durch ein Essen zu verzaubern. Remy kocht etwas scheinbar Banales, eine Ratatouille. Der Geschmack erinnert den Kritiker an seine Kindheit. So wird ein Essen zum Herzensbrecher.

Geschmack inszeniert dieser Film immer wieder mit Farbkaskaden. Das funktioniert anschaulich und ist eine Verbeugung vor dem synästhetischen "Fantasia" von 1940 - ebenso wie die Marionettenszene eine Hommage an Disneys "Pinocchio" darstellt. Das Wunderbare an diesen Verweisen ist, dass der Film auch ohne Hintergrundwissen funktioniert. Anspielungen müssen nicht als Gags herhalten, mit denen etwa die "Shrek"-Trilogie überfrachtet ist.

Noch etwas anderes scheint sich anzukündigen. Durch einige klassisch gezeichnete Sequenzen gibt es Hoffnung, dass bald wieder ein abendfüllender Zeichentrickfilm von Disney herauskommen wird, während es vor kurzem noch hieß, man wolle nur noch computergenerierte 3D-Filme herstellen. Pixar-Kopf John Lasseter, seit neuestem auch Chef der Disney-Animation, lässt angeblich schon wieder Kurzfilme zeichnen.

Und "Ratatouille" weist noch einen Unterschied zu seinen Vorläufern auf: Dieser Film ist kein Kinderfilm. Spitzenrestaurants, Gastronomiekritiker, Haute Cuisine, Testamentsverfügungen: Die Eckpfeiler dieser Story sagen Kindern kaum etwas. Zugegeben, die Rasanz des Slapsticks verlangsamt sich manchmal durch diesen Kontext - der Unterhaltungfaktor stimmt, aber Anteilnahme wird oft unmöglich. Das spricht nicht gegen die Originalidee von Jan Pinkawa, der am Anfang auch für die Regie vorgesehen war. Mit "Ratatouille" schlägt Pixar einen Weg ein, den japanische Studios, vor allem Ghibli, vorgemacht haben: Animation für Jugendliche und Erwachsene, wie es etwa Isao Takahata in seinem bitteren Kriegsdrama "Die letzten Glühwürmchen" vorgemacht hat.

So dunkel wie die Japaner aber ist "Ratatouille" nicht. Denn bekanntlich mögen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene ein Happy End. Der Schluss von "Ratatouille" ist märchenhaft. In diesem Fall meint das ausnahmsweise ein Lob.

"Ratatouille". Regie: Brad Bird. Animationsfilm, USA 2007, 111 Min.

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1 Kommentar

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  • TL
    Thomas Ludwig

    Liebe taz,

     

    es ist schon schlimm genug, dass "Sinn machen" Einzug in die deutsche Sprache gefunden hat. Aber das hier:

     

    "In diesem Fall meint das ausnahmsweise ein Lob."

     

    aus der Ratatouille-Filmkritik schlägt dann doch dem Fass die Krone in's Gesicht. Wer meint da was? Ist der Artikel von einem Sechstklässler aus dem Englischen übersetzt worden (dann allerdings: Hut ab!). Oder hätte da vielleicht einfach stehen sollen: "In diesem Fall bedeutet das ausnahmsweise ein Lob"?

     

    Habt ihr niemanden, der/die eure Artikel mal liest und solche 'Klöpse' redigiert?

     

    Seufzender Gruß,

     

    Thomas Ludwig