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Angst vor schnellem Wandel in Hanoi

Der achte Parteitag der vietnamesischen Kommunisten bestätigt die Führungstroika – drei alte Herren – in ihren Ämtern. Ein Generationenwechsel wird im Moment als zu abrupt empfunden  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Rote Fahnen wehten über den Straßen der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi. Die BewohnerInnen erholten sich noch von den Strapazen des Endspiels der Fußball-Europameisterschaft, das erst nach Mitternacht im Fernsehen übertragen worden war, als der 8. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams gestern nachmittag zu Ende ging. Das Ergebnis: Die vietnamesischen Kommunisten wollen weitermachen wie bisher, dafür aber besser.

Das beschlossen die 1.198 Delegierten des Kongresses in den letzten vier Tagen in einem ganz in Rot gehaltenen Saal. Die Wirtschaftsreformen und die Öffnung für ausländische Investoren werden fortgesetzt, eine politische Liberalisierung oder ein Mehrparteiensystem soll es allerdings auch in Zukunft nicht geben.

Die Regierungstroika bleibt wie erwartet auf dem Posten. Der 79jährige Do Muoi ist weiterhin Parteichef. Der 75jährige Le Duc Anh bleibt Staatspräsident und der 73jährige Vo Van Kiet Ministerpräsident.

Der Parteikongreß wollte die drei alten Herren noch nicht in den Ruhestand entlassen, weil eine Veränderung der Parteiführung in diesem Stadium „zu abrupt“ gewesen wäre, wie der Chef der amtlichen vietnamesischen Nachrichtenagentur am Wochenende erklärte.

Generalsekretär Do Muoi gilt als Vermittler zwischen konservativen Kräften in der Partei, die sich scharf gegen die neue Wirtschaftspolitik und Privatisierungen gewandt haben, den Militärs und den Reformern. Offensichtlich konnte die Führung in dem monatelangen Machtkampf vor dem Parteitreffen keinen Nachfolger mit diesen Fähigkeiten finden. Möglicherweise wird die Troika daher erst Ende 1997 abgelöst, heißt es in Hanoi.

Der 79jährige Parteichef sagte auf die Frage, wie lange er im Amt bleiben wolle: „Bis das Volk mich ausruhen läßt.“ Seine Gesundheit sei gut. Das Geheimnis? „Späte Heirat.“

Der Übergang zu einer neuen Führungsgeneration soll jetzt offenbar von einem neugeschaffenen Gremium, dem fünfköpfigen ständigen Ausschuß des Politbüros, vorbereitet werden. Dort sind neben Do Muoi, Anh und Kiet nun auch Vize-Innenminister Nguyen Tan Dung und Politkommissar Generalleutnant Le Kha Phieu vertreten. Der Ausschuß soll auch für eine bessere Umsetzung der Entscheidungen der Partei sorgen.

Ins 18köpfigen Politbüro wurden acht neue Mitglieder gewählt, darunter erstmals eine Frau: Nguyen Thi Xuan My von der Kontrollkommission der Partei. Sie soll künftig für die Abteilung Parteidisziplin zuständig sein. Das Politbüro kontrolliert die tägliche Arbeit der Partei und kann der Regierung Weisung erteilen. Das neue 169köpfige Zentralkomitee ist durchschnittlich jünger und besser ausgebildet als das vorherige, sagen Experten.

Der politische Bericht des Zentralkomitees und das Wirtschaftsprogramm für den Übergang ins kommende Jahrtausend, die den Parteitagsdelegierten vorgetragen wurden, bestätigen die Fortführung der wirtschaftlichen Reformpolitik. Parteichef Do Muoi erklärte am Wochenende: „Ich würde (den Reformprozeß, d. Red.) gern beschleunigen. Gleichzeitig aber will ich Effizienz und Stabilität sehen. Wenn die Entwicklung zu schnell geht, machen wir Fehler.“

Wie Do Muoi haben zahlreiche hohe Funktionäre in diesen Tagen immer wieder den inneren Zustand der Partei, die ideologische Schwäche ihrer Mitglieder und die verbreitete Korruption beklagt. Der 83jährige General Giap, berühmtester Militär Vietnams, der die französischen Truppen 1954 bei Dien Bien Phu besiegte, warnte ebenfalls vor zu rapiden Veränderungen im Land. Gegenüber ausländischen Journalisten sagte er: „Wir sind Kommunisten, wir sind Pragmatiker. Wir sind sehr optimistisch, aber gleichzeitig sehen wir die Schwierigkeiten.“

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