: Angst vor Gewalt wegatmen
■ Kieler Pilotprojekt: Mit Yoga-Übungen gegen Schulprobleme
Angst, Sprachstörungen, Konzentrationsschwäche – immer mehr Schulkinder leiden darunter und werden damit nicht fertig. „Bewährte“ Erziehungsmethoden scheitern daran oft ebenso wie die Schulmedizin. „Die Schwierigkeiten der Kinder bei der Einschulung werden immer stärker“, beobachtet die Leiterin der Toni-Jensen-Grundschule in Kiel, Ruth Köhler. „Viele Kinder können nicht auf einem Bein stehen, rückwärts laufen oder beim Sprechen ausreichend die Laute differenzieren.“
Bewegungsmangel und fehlende Kommunikation in den Familien macht die Schulleiterin für diese Defizite mitverantwortlich, mit einer Anleihe aus Indien hofft sie auf Abhilfe: Nach den Osterferien beginnen 17 Kinder aus einer 4. Klasse einen Yoga-Kurs. Die Idee für dieses Pilotprojekt in Kiel hatte Yoga-Lehrerin Maike Löhr, die in den letzten anderthalb Jahrzehnten schon mehr als 1000 Erwachsene und Kinder unter ihren „Fittichen“ hatte und derzeit auch Beamten des Innenministeriums und Universitätsstudenten beim besseren Kennen- und Beherrschenlernen von Körper und Geist hilft.
Zweimal in der Woche wird die 51jährige die Kinder jeweils eine Stunde in die Yoga-Geheimnisse einführen, auch die Lehrer wollen sich „anlernen“ lassen. Wenn der vom zuständigen Schulrat unterstützte Kurs Erfolg hat, will die Barmer Ersatzkasse, die das Vorhaben finanziert, ihr Yoga-Engagement ausdehnen. Der stellvertretende Bezirksgeschäftsführer Thomas Wortmann sieht dies nicht nur als Teil der Gesundheitsförderung, sondern auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Gewalt unter den Kindern. Immerhin bekundet in Schleswig-Holstein fast jedes dritte Schulkind, Angst vor Gewalt in der Schule zu haben.
Der Angst vor Gewalt und schlechten Noten, der Nervosität, den Schlafstörungen und anderen Problemen der Schulkinder will Maike Löhr allerdings nicht mit stundenlangen Kopfständen oder artistischen Verrenkungen begegnen. Sie setzt auf Entspannungsübungen, tiefes Ein- und Ausatmen oder eine „Reise ins Traumland“, mit denen sie das Selbstvertrauen der Kinder stärken will. Ihren jüngsten Schützlingen erklärt sie dabei kindgerecht, „wie der Körper arbeitet“: „Wir spielen Yoga“, heißt für sie das Motto.
Wolfgang Schmidt/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen