Angriff auf offenes Internet: Gegen die "Netzverschmutzung"
Eine Koalition aus Internetgrößen hat sich in den USA zum Kampf gegen "böse Netzinhalte" zusammengefunden. Kritiker befürchten einen Schaden für die Nutzer.
Der Name des neuen Zusammenschlusses klingt eher nach einem Kunstprojekt: "Arts+Labs" - "Künste plus Labore". Doch hinter der Vereinigung verbergen sich einige der mächtigsten Einrichtungen der Welt: Die Medienkonzerne Viacom und NBC Universal, der größte Internet-Provider der USA, AT&T, der Netzwerkkonzern Cisco, durch dessen Technik wesentliche Teile des Online-Datenverkehrs fließen sowie der Softwareriese Microsoft, der mit Windows das wichtigste PC-Betriebssystem kontrolliert. Hinzu gesellt sich auch noch der Verband der US-Komponisten, die "Songwriters Guild". Das Ziel der neuen Koalition: Sie will die so genannte "Netzverschmutzung" beseitigen und meint damit Dinge wie Spam, Viren und andere Schadprogramme, Hackangriffen, schädliche Inhalte für Jugendliche sowie Piraterie. Stattdessen wolle Arts+Labs die "Entwicklung und Verbreitung von legalen, sicheren und innovativen Inhalten" vorantreiben, heißt es in einer Erklärung - und all die Dinge, die derzeit "das Internet-Erlebnis des Kunden verschlechtern", aus der Online-Welt heraushalten.
Netzbürgerrechtler sehen den neuen Verband allerdings nicht ganz so rosig. Die US-Vereinigung Public Knowledge (PI), die sich gegen Internet-Zensur und für Netzneutralität eingesetzt, sieht in Arts+Labs einen neuen großen Gegner. Es sei zu befürchten, dass die mit viel Geld ausgestattete Vereinigung der bislang konzentrierteste Angriff auf das freie und offene Internet sein werde. "Die Kombination von Macht und Einfluss eines Providers wie AT&T mit der Unterhaltungsindustrie bedeutet, dass beide einen regelrechten Krieg führen werden, um bald jedes Datenbit filtern zu können, das die Nutzer durch das Internet schicken." Arts+Labs wolle ein Netz, in dem die Telefon- und Kabel-Firmen zu Polizeiinspektoren im Dienste Hollywoods würden. "Wir unterstützten den Diebstahl urheberrechtlichen Materials keineswegs. Gleichzeitig sind wir genauso gegen das ungerechtfertigte Eindringen in das Internet, das diese Gruppe für die Zukunft verspricht."
Arts+Labs setzt bei seiner Kampagne auch auf die Mithilfe der Kunden und insbesondere der Eltern. Denen will man Aufklärungsmaterial zukommen lassen, damit sie ihren Kindern beispielsweise erläutern, wo es legale Inhalte zu finden gibt. Gut möglich, dass hier insbesondere das "Netzschmutz"-Argument greift.
Doch das wichtigere Projekt scheint neue Filtertechnologie zu sein. Der US-Providerriese AT&T arbeitet schon seit längerem mit Medienkonzernen zusammen. Ziel ist es, Software in das Netz zu integrieren, die dann beim illegalen Tausch von Filmen und Musik Alarm schlagen würden und diesen stoppen. Technisch ist das zwar sehr komplex, potenziell aber zumindest teilweise schon heute umsetzbar. Böse Zungen behaupteten, AT&T versuche dadurch, gute Stimmung in Hollywood zu machen, weil man selbst Inhalte für seine Unterhaltungspakete benötige, die man zusammen mit Internet-Anschlüssen vertreibt.
Interessant an Arts+Labs ist vor allem, dass auch Technologiegrößen wie Cisco und Microsoft vertreten sind. Während Cisco als größter Hersteller wichtiger Netzinfrastrukturen möglicherweise die Filtertechnik stellen könnte, die Arts+Labs vorantreiben möchte, hat sich Microsoft als großer Anbieter von Internet-Diensten bislang eher auf die Seite von Google, Yahoo und anderen Web-Größen geschlagen, die sich gegen Online-Einschränkungen und für Netzneutralität einsetzen. Andererseits ist auch Microsoft an guten Beziehungen mit den Medienkonzernen interessiert, benötigt man doch ebenfalls Inhalte für Plattformen wie den Musikspieler "Zune" oder die Spielekonsole "Xbox 360".
Der neue "Anti-Netzschmutz"-Verband hat jedenfalls Lobbyisten-Profis engagiert. Einer der führenden Männer ist Mike McCurry, früherer Pressesprecher des US-Präsidenten Bill Clinton. Der hatte zuvor bereits für den Provider AT&T Stimmung gegen Gesetze für die Netzneutralität gemacht. Diese sollten eigentlich sicherstellen, dass Provider Datenverkehr nicht nach eigenem Ermessen ausbremsen und für beschleunigte Auslieferungen Zusatzgebühren erhalten können. Doch genau das wollen AT&T und andere große Provider seit langem durchsetzen. Womöglich ist nun mit Arts+Labs ein neues Vehikel dafür gefunden.
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