■ Bonn-apart: Angriff auf die Bundestags-Flotte
Bonn (taz) – In den Augen seiner Parteifreunde hatte der SPD-Abgeordnete Christoph Matschie Forderungen nach mehr Umweltbewußtsein im Verkehr zu wörtlich genommen: Matschie hatte nämlich vorgeschlagen, den Fuhrpark des Bundestages mit kleineren und umweltverträglicheren Autos auszurüsten. Diesen Vorschlag ließ der Öko-Genosse aus Jena ganz korrekt per Dienstweg Bundestagschefin Rita Süssmuth zukommen. Ihre Antwort hat Matschie jetzt veröffentlicht. Kurz gesagt: Die Fahrzeuge des Bundestages sind schon längst umweltverträglich! Schließlich werden seit sechs Jahren ausschließlich „Fahrzeuge der Mittelklasse“ mit geregeltem Katalysator angeschafft. Mittelklasse heißt: Es sind vor allem BMWs der 5er- Reihe und „kleinere“ Mercedes bis zum 200er, die die insgesamt 5.000 Mitglieder des Bundestages inklusive Verwaltung durch die Gegend kutschieren. Auf Dauer seien die Daimler eben einfach wirtschaftlicher als Kompaktfahrzeuge, beteuert Klaus-Peter Meindl, Referatsleiter Fahrdienst des Bundestages.
„Scheinargument“, so quittiert der rot-grüne MdBler die Wirtschaftlichkeits-Begründung. Spätestens mit der Töpfer-Studie sei klar: Es muß dringend etwas geschehen, damit der Abgasausstoß durch den Verkehr geringer wird. Insofern sei die Umstellung auf Autos mit niedrigerem Spritverbrauch wichtiger – auch wenn's von der Anschaffung her teurer wird – als vermeintlich billigere „Mittelklasse“-Autos. Außerdem kosteten die bereits in der Herstellung viel mehr Ressourcen. „Wichtig aber ist mir dabei das Symbol nach außen, an die Bevölkerung und an die Autoindustrie“, ergänzt Matschie.
Tatsächlich: Wenn allabendlich in den TV-Nachrichten der hochpolierte Stern auf dem Kühler durchs Bild fährt, sorgt das für Imagepflege. Die wird es auch weiterhin geben. Denn Bundespräsident, Kanzler, Bundestagspräsidentin und ihre Vize sowie die ganze Regierung genehmigen sich ihre Karossen selbst. Der Finanzminister gibt dazu den preislichen Rahmen vor, der Haushaltsausschuß berät, das Parlament stimmt ab. Und die Wagen mit dem hohen Spritverbrauch rollen.
Apropos: Regierungschef Kohl fährt natürlich passend einen extra dicken Wagen. Doch was dem Menschen nicht zum Vorteil gereicht, gilt auch für seinen fahrbaren Untersatz. Als der Kanzler-Mercedes mit seinen fast zwei Metern Überbreite nämlich in die Waschanlage sollte, bekam er kürzlich beim Rangieren ein paar Kratzer und Dellen ab. Der 560er muß deswegen extra nach Stuttgart, um in der Heimatwerkstatt hergerichtet zu werden. Damit die Deutschen, deren liebstes Kind ja bekanntlich das Auto ist, wieder makellos repräsentiert werden. Myriam Schönecker
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