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Archiv-Artikel

Angriff auf das Pillenmonopol

Baustellen der Gesundheitsreform – Teil 4: Apothekenland Deutschland. Bisher haben Arzneiverkäufer viele Privilegien. Zu viele, finden Politiker und Krankenkassen

BERLIN taz ■ Deutschland ist ein Apothekenland. Bundesweit gibt es rund 21.400, mehr hat in der EU nur Frankreich. Und während Beitragszahler und Kassen unter steigenden Kosten ächzen, geht es den Apotheken relativ gut. 2005 steigerten sie ihren Umsatz um 8 Prozent.

Nun aber geraten die Apotheker ins Visier von Gesundheitsreformern. Es gibt Versuche, ihre Einnahmen zu drosseln. Beispiel Naturalrabatte: Bisher gaben Hersteller den Apotheken oft Gratismedikamente. Die Apotheken verkauften diese zum Normalpreis und kassierten den Gewinn. Seit 1. Mai sind Naturalrabatte verboten. Dadurch sollen die Kassen pro Jahr bis zu 300 Millionen Euro sparen. „Wir sind sehr optimistisch, dass sich durch das Verbot was tut“, sagt Betriebskrankenkassen-Sprecherin Ann Hörath. Bisher habe es wenig Anreize gegeben, das günstigste Medikament abzugeben. Um diese zu verstärken, wurden die Apotheker-Einnahmen großteils vom Preis des Arzneimittels abgekoppelt. Festbeträge pro Packung sollen verhindern, dass Apotheker unnötig teure Pillen ausgeben. Die Kassen sind aber nicht zufrieden. „Im Ergebnis verdienen die Apotheker heute mehr als vor der Reform“, so die AOK. Denn auch für Pillen, die im Einkauf nur 1 Euro kosten, kriegen sie 6,10 Euro, plus 3 Prozent auf den Großhandelspreis. Die AOK fordert, den Zuschlag weiter zu kürzen.

Davon gar nicht begeistert sind – die Apotheker. Fast alle rechnen mit starken Einbußen, über die Hälfte stellt ihre Existenz infrage. Superumsätze? 2005 seien schlicht mehr Arzneien als sonst verkauft worden, sagt Annette Rogalla, Sprecherin der Vereinigung Deutscher Apothekenverbände. Die Forderung nach niedrigeren Festbeträgen kann sie nicht nachvollziehen. Schon die Abschaffung der Naturalrabatte habe „sehr wehgetan“.

Doch SPD-Fraktionschef Peter Struck drohte bereits, auch Apotheken müssten bei der geplanten Gesundheitsreform leiden. Unter anderem diskutieren Koalitionsexperten eine Liberalisierung des Marktes. Bislang haben Apotheker das Monopol für Arzneiabgabe. Dabei würden Kliniken und Pflegeheime gern direkt beim Hersteller einkaufen, um zu sparen. „Um das Monopol aufzulösen, ist seit 2004 immerhin der Versandhandel für Arzneien erlaubt“, so Gerd Glaeske vom Sachverständigenrat zur Entwicklung im Gesundheitswesen. Eine Aufhebung des Monopols lehnen die Apotheker jedoch ab. „Es stellt sich doch die Frage: Wem nützt es?“, sagt Rogalla. Optimale Versorgung sei nur durch gut ausgebildete Apotheker vor Ort möglich, die von der Industrie unabhängig seien.

Doch sind sie das? „Die Pharmaindustrie versorgt die Apotheken nach wie vor mit Barrabatten auf Arzneimittel“, sagt Ingeborg Simon, Gesundheitspolitikerin der Linkspartei. Die gelernte Apothekerin fordert unter anderem die Einführung einer Positivliste wie in den meisten EU-Ländern. Die Liste soll nur wirksame Medikamente enthalten, die von den Kassen bezahlt werden. GESA SCHÖLGENS