Angriff auf Hotel in Afghanistan: Anschlag galt Außenminister
Beim Anschlag auf ein Kabuler Luxushotel blieb der norwegische Außenminister unverletzt. Die Tat wird in Norwegen die Kritik an der Isaf-Beteiligung aufflammen lassen.
Kurz nach einem Anschlag auf das Luxushotel "Serena" am Montagabend in Kabul hat der afghanische Geheimdienst einen mutmaßlichen Attentäter festgenommen. Laut Geheimdienstchef Amrullah Saleh hatte der Mann offenbar beschlossen, seinen Sprengsatz nicht zu zünden. Vor dem Anschlag war einer von drei Angreifern sofort von einem Wächter erschossen worden, der zweite Attentäter hatte sich im Eingang der Hotellobby in die Luft gesprengt, ein dritter hatte in der Lobby um sich geschossen. Mindestens acht Menschen, darunter ein norwegischer Journalist (s.Kasten), sind dabei ums Leben gekommen.
Gegolten hat der Anschlag offenbar einem Mann, der unverletzt davonkam: Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre. Dieser hatte sich zum Zeitpunkt des Attentats in dem Hotel aufgehalten. Norwegische Medien wiesen auf frühere Drohungen der Islamistenorganisation al-Qaida gegen Norwegen aufgrund des militärischen Engagements des Landes in Afghanistan hin. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte einen Taliban-Sprecher, der Støre als Anschlagsziel bestätigt haben soll. Støre wollte noch am Dienstag nach einem Gespräch mit dem afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karsai die Heimreise antreten, statt, wie ursprünglich geplant, bis Donnerstag zu bleiben. Es war der erste Angriff der Taliban auf ein Hotel in Kabul. Gerade das vor zwei Jahren eröffnete "Serena" galt als gut gesichert und wurde daher gern von Diplomaten und Geschäftsleuten genutzt.
War wirklich Norwegen und dessen Außenminister das Anschlagsziel, hat man es in Oslo den Attentätern leicht gemacht. Auf der Website des Außenministeriums konnte man sich seit dem 20. Dezember in allen Details vorab über die Afghanistan-Reiseroute von Støre informieren - auch darüber, dass der Außenminister zum Anschlagszeitpunkt mit Vertretern von Hilfsorganisationen im "Serena" konferieren wollte. Eine geradezu blauäugige Offenheit, wie Vertreter des norwegischen Militärs schon in der vergangenen Woche kritisch kommentiert hatten.
Norwegen hat derzeit rund 500 SoldatInnen in Afghanistan stationiert. "Sie werden dort bleiben und in diesem Jahr wie geplant mit 200 Soldaten verstärkt werden", erklärte der Militäroberbefehlshaber Sverre Diesen am Dienstag in einer Reaktion auf das Attentat, "und in diesem Jahr wie geplant mit 200 Soldaten verstärkt werden. Wir haben von der Regierung die Bestätigung erhalten, dass die Pläne nicht geändert werden sollen."
Laut Diesen rechnet man in Oslo für die Zukunft mit einer Zunahme von Angriffen und Anschlägen und räumt ein, es könne Opfer geben. Seit 2003 sind in Afghanistan drei norwegische Soldaten getötet und etwa ein Dutzend verletzt worden. Norwegens Soldaten stehen normalerweise in Maimana und Mazar-e-Sharif im nordwestlichen Afghanistan, eine kleinere Truppe ist am Flughafen von Kabul stationiert.
Das norwegische Afghanistan-Engagement ist umstritten und könnte jetzt noch stärker in die Kritik geraten. In einem ersten Kommentar zum Attentat sprach die sozialdemokratische Tageszeitung Dagsavisen am Dienstag von einem "Krieg gegen Norwegen" und stellte gleichzeitig die Frage, ob die Zeit für den sogenannten humanitären Einsatz in diesem Land, der aber vorwiegend mit militärischen Mitteln geschehe, nicht wegen erwiesener Erfolglosigkeit mittlerweile abgelaufen sei. Die Opposition gegen die Beteilung an der ISAF-Truppe reicht bis in die rot-grüne Koalitionsregierung von Ministerpräsident Jens Stoltenberg hinein. Die Sozialistische Linkspartei, eine der drei Regierungsparteien, die sich vor Jahren über die Frage einer norwegischen Militärbeteiligung im Kosovo fast gespalten hätte, ist zu weiten Teilen gegen diesen Einsatz. Als Zugeständnis an diese Partei und eine auch in der norwegischen Bevölkerung weitverbreitete Skepsis hat Oslo in der Vergangenheit mehrmals den Wunsch der NATO und der USA, sich auch mit Spezialstreitkräften im Süden Afghanistans zu engagieren, zurückgewiesen.
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