: Angola - Hunger nach Frieden
■ Nach 15 Jahren Bürgerkrieg könnte auch dieser Regionalkonflikt nach Meinung der Supermächte bald politisch gelöst werden
Von Knut Pedersen
Trotz grundlegender Verständigung zwischen den USA und der Sowjetunion, den seit 15 Jahren andauernden Regionalkonflikt in Angola endlich beizulegen, ziehen sich die Direktverhandlungen zwischen der linksorientierten Regierung in Luanda und der von den Vereinigten Staaten und Südafrika unterstützten Rebellenbewegung UNITA in die Länge. Vergangene Woche in Portugal haben sich die beiden Parteien erneut nicht auf ihre gegenseitige Anerkennung einigen können: Die UNITA-Bewegung Jonas Savimbis will zwar die „Autorität“, nicht aber die „Legitimität“ einer Regierung anerkennen, die ihrerseits zwar die „Existenz“ der militärischen Opposition anerkennt, aber nicht deren Charakter als „autonome, politische Kraft“ im Lande.
Die Fortschritte in den Verhandlungen sind gleichwohl real. Ein Jahr nach dem versöhnlichen Handschlag zwischen Staatspräsident Eduardo dos Santos und dem „Rebellen“ Jonas Savimbi im Juli 1989 im zairischen Gbadolite ist zumindest nicht mehr von der bloßen „Eingliederung“ der UNITA in den bestehenden Staats- und Parteienapparat die Rede. Auch die damals von Savimbi so vehement abgelehnte Vereinbarung, er solle sich doch vorübergehend ins ausländische Exil begeben, ist vom Tisch. Statt dessen könnte bereits im August ein formeller Waffenstillstand unterzeichnet werden, der - nach einer Übergangsphase „nationaler Versöhnung“ und gemeinsamer Verwaltung des Landes - den Weg zu freien und pluralistischen Wahlen öffnen würde.
Seit der überstürzten Unabhängigkeit der ehemals portugiesischen Kolonie im Herbst 1975 hat Angola weder Frieden noch politische Freiheit genossen. Im Gegenteil: Der von Südafrika, den USA, Kuba und der Sowjetunion geschürte „Bürgerkrieg“ in Angola, potentiell eines der reichsten Länder Afrikas, hat Hunderttausende Menschen das Leben gekostet. Man schätzt, daß heute etwa die Hälfte der rund zehn Millionen AngolanerInnen „Vetriebene“ im eigenen Lande sind. Mehrere tausend Zivilisten sind von „Anti-Personen -Minen“, die von der UNITA in landwirtschaftlich genutzten Feldern vergraben werden, zu Krüppeln zerrissen worden. Die mit „Mig„-Kampfflugzeugen ausgerüstete Luftwaffe der Regierung bombardiert ihrerseits blind zuvor „entlaubte“ Landflächen in dem von der Guerilla kontrollierten Südosten des Landes. Die Militärlieferungen der Sowjetunion kosten Luanda rund die Hälfte des jährlichen Devisenaufkommens von zwei Milliarden Dollar. Sie werden fast ausschließlich durch den Verkauf von Erdöl erwirtschaftet, das zum großen Teil von US-amerikanischen Konzernen gefördert und kommerzialisiert wird. Das gute Geschäft hindert die Regierung in Washington allerdings nicht, der UNITA jährlich rund 50 Millionen Dollar Militärhilfe zu leisten. Gegenwärtig berät der amerikanische Kongreß in Washington sogar über eine „zusätzliche, außerordentliche Hilfe“ von zehn Millionen Dollar...
Das torpediert nicht zwangsläufig die laufenden Friedensverhandlungen. Die USA und die Sowjetunion haben sich in der Tat darauf verständigt, das militärische Gleichgewicht in Angola zu „stabilisieren“, um beide Seiten an den Verhandlungstisch zu zwingen. Im vergangenen Herbst hat die Regierung in Luanda ein letztes Mal versucht, den politischen Kompromiß durch eine militärische Offensive zu ersetzen. Aber der Vormarsch auf Mavinga und die „Rebellenhauptstadt“ Jamba ist nach monatelangen, schweren Kämpfen ausgeblutet.
Obgleich die UNITA seit dem Rückzug Südafrikas und der Unabhängigkeit Namibias ihr strategisches Hinterland verloren hat, ist die Guerillabewegung nicht aus dem Land getrieben worden. Zum einen, weil sie tatsächlich über Rückhalt in der Ovimbundu-Bevölkerung verfügt. Zum anderen, weil das nachbarliche Zaire als Versorgungsbasis und „Infiltrationszone“ benutzt wird. Vom Zaire aus kommt die aufgestockte amerikanische Militärhilfe ins Land. Dank der CIA, deren Agenten im UNITA-Hauptquartier in Jamba die von Washington gelieferten „Stinger„-Raketen „verwalten“, das heißt im Bedarfsfalle einsetzen.
Angola und Äthiopien sind - abgesehen vom südafrikanischen Apartheidsystem - die beiden großen Konfliktherde auf dem afrikanischen Kontinent. Hier wie dort haben die Weltmächte Partei ergriffen und suchen heute einen Ausweg aus kostspieligem „Engagement“ in Übersee. Hier wie dort bedeutet das Warten auf eine endgültig friedliche Regelung der Konflikte Hunger und Not für die Zivilbevölkerung. Nicht nur in Äthiopien, sondern auch in Angola sterben Hunderttausende, weil Krieg den Kampf gegen Dürrekatastrophen unmöglich macht. In den vergangenen vier Jahren sind nach Aussage des stellvertretenden Informationsministers Joao Bernardo de Miranda in Zentral und Ostangola „mehr als eine halbe Million Menschen verhungert“.
In den letzten sechs Monaten hat das Rote Kreuz mehr als 600.000 Menschen zum Überleben verholfen. Ein neues Notprogramm in Höhe von 3,6 Millionen Dollar ist von der Europäischen Gemeinschaft gebilligt worden. Um den tödlichen Hunger nach Frieden zu stillen.
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