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Angestrengter wohnen

"Wohnst du noch oder lebst du schon?": Mit "Interieur/Exterieur. Wohnen in der Kunst" inszeniert Markus Brüderlin im Kunstmuseum Wolfsburg seine dritte Hommage an die Moderne.

Wohnzimmer III, 1968 von Almut Heise Bild: Copyright © 2007 Kunstmuseum Wolfsburg

Nichts gegen die Wiederentdeckung, ja emphatischer noch, die Wiederwürdigung der Moderne, die sich Markus Brüderlin, der Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, auf die Fahnen geschrieben hat. Aber so unkompliziert und problemlos, wie in seiner Ausstellung "Interieur/Exterieur - Wohnen in der Kunst" behauptet wird, geht es wohl nicht.

Es braucht mehr als die - von "ArchiSkulptur" im Jahr 2006 und "Japan und der Westen" im Winter 2007 her - schon bekannte, prachtvolle und aufwändige Zusammenschau von Kunst, Design und Architektur beziehungsweise Innenarchitektur vom Biedermeier bis heute. In ihr passt alles, die Farbe zum Raum genauso wie das Eric-Fischl-Gemälde zum Barcelona Chair. Es bräuchte die Erwähnung der Probleme, die die Protagonisten der modernen Bewegung als die eigentliche Herausforderung ihrer künstlerischen und gestalterischen Arbeit sahen. Die Fragen nach dem modernen Wohnungsbau, nach der industriellen Massenfabrikation, nach den neuen Materialien, nach den veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen, nach der neuen Klientel, die Kunst und Design nachfragte, wie etwa die zunehmende Zahl berufstätiger Frauen. Nichts davon in Wolfsburg, wo "Interieur/Exterieur" ein reines Luxusproblem nach Art des Lifestyle-Magazins AD ist.

Dann ist nur noch spannend zu sehen, wie persönlich entlarvend es ist, sich einzurichten. In einer der gelungensten Sichtachsen des schönen Ausstellungsaufbaus, der die Museumshalle in ein anmutiges Gewirr weißer Kojen und offener Passagen verwandelt, gibt eine Wandöffnung hinter Marcel Breuers Esstischensemble den Blick in Donald Judds Refugium in Marfa, Texas, frei. Allerdings erweist sich "Schindler Raum" als eine Fototapete, vor der eine Reihe von Kunstobjekten und Möbeln das gezeigte Ambiente nachzustellen sucht. In diesem dokumentiert sich nun das wahnsinnig angestrengte Bemühen, sehr wenige, dafür betont einfache Sitzmöbel höchst bedeutsam in eine leere, weite Wohnhalle zu platzieren, deren äußerst minimalistischer Schmuck aus einem maßlos theatralisch in der mittigen Längsachse des Raums angeordneten Fenster besteht, das an den Seitenwänden von einem weiteren Fenster und einem Dipthychon flankiert wird.

Sofort denkt man an Hans Hollein und dessen vergoldetes Modell von Sigmund Freuds Couch, das man kurz zuvor passierte. Hätte Freud eine Idee gehabt, warum jemand in einem derart prätentiösen Bühnenbild wohnen will? Weshalb jemand ein dermaßen unheimliches, unheimlich gestyltes Heim braucht? Die Psychoanalytikercouch wiederum deutet einmal mehr darauf hin, dass wir uns mit "Interieur/Exterieur" in gehobenen Kreisen bewegen. Hier war vor einem Jahrhundert der belgische Architekt Henry van der Velde sehr en vogue. In Wolfsburg wurde jetzt sein "Weißes Esszimmer" wieder aufgebaut, einer der wirklich erhellenden Momente der Schau, denn ganz überraschend wird immer noch deutlich, wie cool und hip es sich einmal angefühlt haben muss, in van der Velde, nein, nicht nur zu wohnen - vielleicht sogar zu leben. Ikea hat schon recht, das ist die Kernfrage der Moderne: Wohnst du noch oder lebst du schon? Denn sobald es anstatt nur zu wohnen zu leben gilt, werden komplexere als rein ästhetische Ansprüche verhandelt. Vielleicht freut man sich deshalb so über Pia Lanzingers Video-Waschmaschine, die den Erinnerungen von Wolfsburger Neubürgern ihren Rhythmus gibt. Lanzinger hatte Einwohner, die nach 1945 in die Stadt kamen, gefragt, wie sie sich hier einrichteten. Im Motiv der Video-Waschmaschine scheinen der technische Erfindungsgeist und die pragmatisch-funktionale Seite der Moderne auf, die sonst zugunsten der ästhetisch-formalen völlig ausgeblendet ist.

"Interieur/Exterieur" geht es um die Perlen, nicht um das soziale oder technische Experiment, um die Highlights und nicht den großartigen Fehlschlag. Deshalb werden vornehmlich schon abgesegnete Positionen der zeitgenössischen Kunst präsentiert, etwa mit Tobias Rehberger und John M. Armleder, die an der Grenze von zweckgebundenem Design und autonomer Kunst operieren. Deshalb werden Piet Mondrians Atelier rekonstruiert und Verner Pantons poppige "Phantasy Landscape. Visiona 2"-Wohnhöhle der 60er-Jahre nach Wolfsburg geholt. Deshalb werden Richard Hamiltons berühmte Collage von 1956 "Just what is it that makes todays homes so different, so appealing" gezeigt und Julius Shulmans Fotografien des experimentellen Musterhausprogramms in Los Angeles von 1945 bis 1966, das als "Case Study House"-Projekt Berühmtheit erlangte. Daran ist wenig auszusetzen, ausgenommen, dass man so zwangsläufig bei jenem Allergen namens Barcelona Chair enden muss, dem Paradesessel aller möblierten Eliten, die für die Masse denken, weswegen diesem Ding nirgendwo mehr auf der Welt zu entkommen ist.

Das wäre kein Fehler gewesen, hätte man in Mies van der Rohes Sessel den Fallstrick der Ironie erkannt, wie er immer dort anzutreffen ist, wo sich die gewöhnlichen Verrichtungen des Alltags zur Ästhetik hin öffnen sollen. Denn dieser Wunsch läuft darauf hinaus, dass es in der Kunst zu wohnen und sich zu benehmen gilt, was gewöhnlich zu einigen komischen Verrenkungen führt. Ein bisschen schaut es so aus, als sei "Interieur/Exterieur" eine solche.

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