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Angeln in der StadtFischig

Sie kommen mit leichtem Gepäck und werfen ihre Ruten mal hier, mal da aus. Wer sind die Männer, die nach Feierabend an den Fleeten stehen?

Beliebt: Fischen mitten in der Stadt. Foto: David Ebener/ dpa

HAMBURG taz | Mein erster Elbfisch landete in der Bouillabaisse. Es war eine platte Flunder, ich fing sie mit der Grundangel meines Angelmentors am alten Afrika-Terminal in der Hafencity. Eigentlich waren wir auf einen Aal aus. Wir hatten die Leine nur eingeholt, um zu checken, ob die Tauwürmer noch am Haken hingen – und da war sie auf einmal, fast wie ein ungebetener Überraschungsgast.

Angler sieht man in Hamburg überall, wo Wasser ist: unter Brücken, auf Bootsanlegern und Kaimauern, an Fleeten und Kanälen. Oder man trifft sie mit ihren langen Ruten in der U-Bahn auf dem Weg zum nächsten Angel-Spot. Etwa 30.000 Aktive sind es mittlerweile, Tendenz steigend. Es wurden schon Anzugträger in der Mittagspause unter der Lombardsbrücke gesichtet, die Karpfenrute auswerfend.

Auch von Hafencity-Hipstern, die sich ihr Zanderfilet vor der Haustür fangen, wird erzählt. Anders als in vielen anderen Städten sind die meisten Gewässer in Hamburg „frei“, also nicht verpachtet, und dürfen beangelt werden. Man braucht keine Extra-Erlaubnis, ein gültiger Fischereischein reicht.

Brassen sind zu schleimig

Sechs Fische habe ich in drei Jahren in Hamburg gefangen – eine mickrige Statistik, selbst für einen Gelegenheitsangler. Doch ob ich was fange oder nicht, ist fast egal. Durch das Angeln lernte ich die Stadt viel besser kennen. Oft werfe ich die Angel an einem netten Plätzchen aus, chille, träume, grüble.

Manche Fische will ich nicht mehr fangen: Brassen zum Beispiel sind so schleimig wie vergorene Sojabohnen und haben viel zu viele Gräten. Der Aal ist gefährdet, Rotaugen schmecken nur als Frikadelle. Hecht soll deliziös sein, doch der sogenannte Wolf des Wassers hat 700 messerscharfe Zähne und verschlingt kleine Vögel – die Vorstellung so einen Killer zu landen ... Unheimlich!

Bleibt der Zander oder „Stachelritter“, Hamburgs Vorzeigefisch, dessen weißes Filet man häufig auf Speisekarten findet. Seitdem Anfang der 90er-Jahre das Raubfischangeln durch Gummiköder revolutioniert wurde, werden die als scheu und misstrauisch geltenden Zander sehr viel öfter überlistet.

Doch nicht von mir. Die meiste Zeit bin ich ein „Schneider“: So nennt man einen Angler, der ohne Fisch heimkehrt.

Exakt zwei Anglerinnen

Gründe dafür gibt es viele: Zum Beispiel kann ich nicht so gut zielen. Wenn ich meine Rute auswerfe, landet der Köder nie dort, wo er hin soll. Bei den Magellan-Terrassen in der Hafencity zum Beispiel gibt es diesen einen Zander-Hotspot genau zwischen zwei kleinen Kähnen. Ich schaffe es einfach nicht, diese verdammte Lücke zu treffen.

Den meisten meiner Bekannten, Freunde oder Kollegen ist das Anglermilieu völlig fremd. Viele amüsieren sich allein ob der Tatsache, dass ich es tue, manche schreien, wenn sie in meinem Kühlschrank (gut verpackte) Wurmbündel und Maden entdecken.

Andere finden Fische per se eklig, Angeln grausam oder stundenlang am Wasser sitzende Männer total öde. Zum Frauenkennenlernen taugt das Hobby jedenfalls nicht. Ich kenne exakt zwei Anglerinnen in Hamburg.

Wenn was beißt, wird es brutal und nicht selten auch blutig. Des Anglers größter Thrill ist der Überlebenskampf des Fisches, der sogenannte Drill, bei dem der Fisch, nachdem er auf den Köder gebissen oder ihn verschluckt hat, mit voller Kraft gegen den Zug der Angelschnur anschwimmt – bis er müde wird und gelandet, getötet und geschlachtet werden kann.

Mitleid mit den Tieren

Angeln ist schon fies – manchmal glaube ich, ich bin zu tierlieb dafür. Auf jeden Fall war ich nicht vorbereitet auf die Gnadenlosigkeit am Wasser. Ich lernte bei meiner komplett theoretischen Ausbildung einiges über Rückenflossenstellungen und Rundschuppen, aber nicht, wie man einen zappelnden Fisch von einem Widerhaken im Maul befreit oder ihm einen Hieb mit dem Totschläger verpasst.

Klar, ich habe Mitleid mit den Tieren. Ist mir egal, dass sich Forscher (und Angler) immer noch darüber streiten, ob Fische überhaupt Schmerz empfinden können. Stumm sind sie jedenfalls nicht. Einmal hörten meine Angelkameradin und ich einen Stint am Haken laut quieken – sie hat bis heute noch Gewissensbisse.

Was mir hilft, ist mich daran zu erinnern, dass die Fänge auf dem Grill, in der Pfanne oder im Backofen landen. Oder eben in der Bouillabaisse.

Dieser Text ist zuerst im Hamburg-Magazin „Stadtlich“ erschienen.

Den ganzen Schwerpunkt über das „Streetfishing“ lesen Sie in der gedruckten Norddeutschland-Ausgabe der taz.nord oder hier.

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