Angebliches Opfer von Mittweida: Hakenkreuz laut Gericht selbst geritzt
Nicht Rechtsextreme, sondern das vermeintliche Opfer selbst soll sich das Nazisymbol in die Hüfte geritzt haben. Ein Gericht verurteilt sie deshalb wegen Vortäuschung einer Straftat.
HAINICHEN taz Die inzwischen 18 Jahre alte Rebecca K. aus Mittweida hat sich nach Auffassung des Amtsgerichtes Hainichen selbst ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt. Das Gericht sprach sie am Freitag der Vortäuschung einer Straftat für schuldig und verwarnte sie mit einer Auflage: Sie muss 40 Arbeitsstunden ableisten. Die Gesamtschau der Indizien reiche aus, begründete Richterin Anne Mertens das noch nicht rechtskräftige Urteil. Verteidiger Axel Schweppe kündigte umgehend Berufung an.
Der Fall hatte vor einem Jahr Aufsehen erregt. Rebecca K. behauptete, vier Neonazis hätten sie festgehalten und ihr ein Hakenkreuz in die Hüftgegend geritzt, als sie einem sechsjährigen Kind von Spätaussiedlern zu Hilfe eilen wollte. Dieses Mädchen sei von den jugendlichen "Glatzköpfen" belästigt und herumgeschubst worden.
Bald wurden jedoch erste Zweifel an der Version des angeblichen Opfers laut. Erst am 12. November, neun Tage nach der mutmaßlichen Tat, hatte sie sich bei der Polizei gemeldet. Trotz eines Briefs von Oberbürgermeister Matthias Damm (CDU) an 100 Haushalte in der Umgebung des vermeintlichen Tatortes meldete sich kein einziger Zeuge. Vergeblich wurden 5.000 Euro Belohnung für konkrete Tathinweise ausgesetzt. Rebecca K. hatte behauptet, mehrere Anwohner hätten das Geschehen von umliegenden Balkonen aus beobachtet. Das belästigte Kind hielt sich außerdem nachweislich nicht am Tatort auf. Linke Kreise vermuteten aber, Eltern und Anwohner hätten aus Angst geschwiegen, da in der Gegend rechtsextreme Schlägertruppe "Sturm 34" agiert. Das bundesweite "Bündnis für Demokratie und Toleranz" zeichnete Rebecca K. mit einem Ehrenpreis für besondere Courage aus.
Im Dezember 2007 teilte die Staatsanwaltschaft Chemnitz offiziell mit, sie hege nach einem ersten rechtsmedizinischen Gutachten Zweifel an der Version des angeblichen Opfers. Die Staatsanwaltschaft erhob im Mai Anklage gegen sie wegen Vortäuschens einer Straftat.
Der Prozess vor dem Amtsgericht Hainichen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil die Angeklagte zur Tatzeit noch nicht volljährig war. 25 Zeugen wurden gehört, ohne dass der tatsächliche Sachverhalt eindeutig geklärt werden konnte. Rebecca K. blieb hartnäckig bei ihrer Version. Ihr Anwalt forderte die Einstellung des Verfahrens. Die Gutachten hätten beide Möglichkeiten zugelassen, wie die Hakenkreuz-Verletzung entstanden sein könnte. Noch am Tag der Urteilsverkündung forderte der Verteidiger ein weiteres Gutachten an, das mögliche psychopathologische Gründe für eine Selbstverstümmelung untersuchen sollte. "Es gibt in der Psyche meiner Mandantin kein Motiv dafür", bekräftigte Schweppe und schilderte die Angeklagte als eine selbstbewusste Persönlichkeit.
Oberstaatsanwalt Bernd Vogel räumte ein, dass es keinen Generalzeugen in diesem Indizienprozess gab. "Möglicherweise wollte jemand in der angespannten Situation in Mittweida ein Zeichen setzen", sagte er zu einem denkbaren Motiv von Rebecca K. Das Urteil sei aber "für alle eine Niederlage" und "nicht das Beste für Sachsen", weil es Wasser auf die Mühlen bestimmter Kreise sei. Bei einem Geständnis der Angeklagten hätte er einer Einstellung des Verfahrens zugestimmt. Die NPD hatte die Anklageerhebung triumphierend kommentiert.
MICHAEL BARTSCH
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