Anfangs noch nicht so bollerig“

■  Vor dreißig Jahren ermittelte zum ersten Mal TV-Kommissar Paul Trimmel, Prototyp der ARD-Reihe „Tatort“. Ein Interview mit seinem Erfinder Friedhelm Werremeier

Heute vor 30 Jahren, am 26. Oktober 1969, wurde im ARD-Fernsehspiel „Exklusiv“ die TV-Figur Paul Trimmel geboren – ein geschichtsträchtiges Datum, weil dieser stämmige grobschlächtige und meistens missmutige Ermittler aus Hamburg im Jahr darauf zum ersten Kommissar der „Tatort“-Reihe wurde. „Exklusiv“, eine raffiniert konstruierte Geschichte um einen Bankfilialleiter, der seine eigene Bank ausraubt, ist somit eine Art Pilotfilm zur langlebigsten deutschen TV-Serie. Der Schöpfer der Figur Trimmel, die der 1986 verstorbene Walter Richter verkörperte, ist der heute 69-jährige Autor Friedhelm Werremeier. Zwischen 1969 und 1982 schrieb er sämtliche elf Trimmel-Folgen, die allesamt auf seinen vorher veröffentlichten Romanen basierten; insgesamt hat er fürs Fernsehen rund 100 Serienfolgen geschrieben, unter anderem für „Peter Strohm“.

taz: Werden Sie heute noch auf Trimmel angesprochen?

Friedhelm Werremeier: Ja, wenn die alten Folgen gezeigt werden. Vor drei Jahren wurden 30 meiner Filme wiederholt, viele davon Trimmels.

Viele Ihrer Trimmel-Filme haben einen journalistischen Einschlag. Wenn man sie sich heute hintereinander anschaut, wirken sie – auch – wie ein Rückblick auf die Kriminalgeschichte Hamburgs in den Siebzigerjahren, weil Sie viele seinerzeit aktuelle Missstände, wie Ärzte- oder Justizskandale, aufgegriffen haben. Wie hat sich diese Arbeitsweise ergeben?

Ich bin jahrzehntelang Reporter gewesen, unter anderem für den Stern. Das ist mein eigentlicher Beruf. Im Laufe der Zeit habe ich mich auf Prozesse spezialisiert. Irgendwann, wenn eine Stunde lang ein langweiliges Schreibmaschinengutachten verlesen wird, fängt man an zu spinnen und überlegt sich, wie der Fall, der gerade verhandelt wird, viel schöner hätte ablaufen können. So kam ich eigentlich auf die Idee, einen Roman zu schreiben. Die Figur des Chefredakteurs in „Exklusiv“ ist übrigens Henri Nannen nachempfunden.

Welchen Trimmel halten Sie für den besten?

„Trimmel hält ein Plädoyer“ von 1978. Da gibt es eine Szene, in der sich Walter Richter und Karl-Heinz Vosgerau 14 Minuten lang unterhalten – unfilmischer geht's nicht. So etwas habe ich danach im deutschen Fernsehen nie wieder gesehen.

Manche Kritiker vertreten die Ansicht, Sie hätten die besten „Tatorte“ geschrieben, aber außer bei „Exklusiv“ sei die filmische Umsetzung der Romane nie hundertprozentig gelungen.

Das liegt in der Natur der Sache. Wenn man die Bücher 1:1 hätte verfilmen wollen, wären zehn Stunden lange Filme dabei heraus gekommen.

War Walter Richter die erste Wahl für die Trimmel-Rolle?

Ich war von der Idee begeistert, obwohl er auf lange Sicht schon damals zu alt war, ungefähr Mitte 60. Aber wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich Klaus Schwarzkopf genommen, der ab 1971 den Kommissar Finke gespielt hat. Durch den Richter hat sich die Buchfigur Trimmel im Lauf der Zeit ganz entscheidend verändert. In den Romanen war Trimmel anfangs noch nicht so bollerig.

Welche Kommissare aus den ersten „Tatort“-Jahren haben Ihnen noch gefallen?

Der Bayrhammer als Kommissar Veigl, vor allem der Felmy als Haferkamp, später die ersten Filme mit Schimanski. Das Niveau war jedenfalls höher als heute.

Warum?

Vielen neueren Folgen mangelt es an psychologischer Plausibilität. Ich habe mich früher im Zweifelsfall mit einem Psychologen abgesprochen. Das scheint heute seltener zu geschehen.

Inwieweit hat sich die Arbeit für Fernsehschaffende im Lauf Ihrer Karriere grundsätzlich verändert?

Sie ist unerfreulicher geworden, denn die Manieren im deutschen TV-Gewerbe haben sich erheblich verschlechtert. Auf den Begriff „Manieren“ lege ich großen Wert.

Woran arbeiten Sie heute?

Vor allem an dem ultimativen Trimmel-Roman, der auf 500 Seiten angelegt ist. 140 Buchseiten sind schon fertig. Der Arbeitstitel ist: „Trimmels ganzes Leben“.

René Martens