Androgyne Mode: "Mann und Frau nähern sich an"
Wenige Modemacher entwerfen so weiche und erotische Männerbilder wie Damir Doma, frei von allen Klischees und Stereotypen. Doma sagt: Männer und Frauen werden sich körperlich immer ähnlicher.
taz: Herr Doma, ist Ihnen das Spiel mit Geschlechtlichkeit wichtig?
Damir Doma: Die Leute verwechseln das immer. Viele denken, das sei so für mich. Mir geht es aber gar nicht um das Geschlecht, sondern um das Individuum. Da ist meine letzte Show vielleicht ein gutes Beispiel. Da waren bei den Männer verschiedene Charaktere, und es ging darum, für jedes Outfit den Richtigen zu finden. Mir fehlt das in der Männermode. Die Mode für Männer stammt ja von Uniformen ab, und so sieht sie auch meistens aus.
Sie brechen also nicht damit?
http://www.damirdoma.com/site/index.html wuchs am Tegernsee auf. Er studierte Modedesign an der Esmod in München und Berlin. 2004 beendete er sein Studium mit der Auszeichnung "magna cum laude" für die beste Kollektion. Danach ging Doma nach Antwerpen, um für renommierte Designer wie Dirk Schönberger und Raf Simons zu arbeiten. Im Jahr 2006 gründete er mit nur 25 Jahren sein eigenes Modelabel "Damir Doma". Der 29-jährige Deutschkroate konzentrierte sich zunächst auf Männermode und wurde damit schnell zum Liebling der Modeszene und der Presse.
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Seine Mode ist eigenwillig, ätherisch und innovativ. Er verzichtet bewusst auf dekorative Elemente wie Reißverschlüsse oder Knöpfe. Er sagt selbst: "Mir geht es viel um Form, Volumen und Materialität." Sein Ziel ist es, eine intellektuelle Kollektion aufzubauen, die gar nicht von jedem verstanden werden muss. Im Oktober 2009 präsentierte der Modedesigner seine günstigere und puristischere Organic-Cotton-Linie "Silent", im März 2010 zeigte er auf den Prêt-à-porter-Schauen in Paris seine erste Frauenkollektion.
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Damir Doma ist derzeit einer der interessantesten jungen Designer, und schafft mit seinen Kollektionen einen neuen, gar philosophischen Zugang zur Mode. Sein Markenzeichen sind fließende, hochwertige Stoffe, gedeckte Farbe und eine weiche Silhouette. Zu seinen bekannten Kunden zählen "Twilight"-Star Robert Pattinson und Sänger Lenny Kravitz.
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Als kleiner Junge bewunderte Doma vor allem die frühen Kollektionen von Armani.
Mir geht es um Mann und Frau, aber unterbewusst. Ich versuche, Mann und Frau nicht in Boxen zu stecken, so wie es aber die Gesellschaft macht.
Und wie ändern Sie diese Art des Denkens?
Männer haben wie Frauen verschiedene Charakterzüge. Die Kleidung ist ein Mittel, sich auszudrücken, und deswegen fand ich das so schade, dass immer nur eine Seite davon gezeigt wird. Es gab Designer wie Jean-Paul Gaultier, die schon versucht haben, das zu ändern. Aber das wirkte so unnatürlich, das ging in eine extreme schwule Richtung. Das ist überhaupt nicht negativ gemeint. Es wurde eher ein Mann gezeigt, der eigentlich gern eine Frau wäre. Männer haben auch sehr weiche Züge, genauso wie Frauen. Das wird aber in unserer Gesellschaft nur schwer akzeptiert, jeder spielt seine Rolle. Und Mode, vor allem Männermode, hat ja viel mit Rollenspielen zu tun. Deswegen arbeite ich sehr wenig mit klassischen Modereferenzen wie Anzug, Smoking und Krawatte.
Warum nicht?
Das interessiert mich eigentlich gar nicht, und das gibt es ja auch schon zuhauf. Wenn ich auch damit arbeiten würde, hätte ich keine Daseinsberechtigung. Ich will Neues erschaffen. Ab dem Punkt, wo ich das nicht mehr kann, ist es nur noch ein Produkt. Ich habe schon den Anspruch, mehr zu kreieren. Meine Silhouette ist sehr weich, das liegt aber viel an der Art und Weise, wie ich Stoffe verarbeite. Ich versuche, die Sachen so roh wie möglich zu halten und nicht viel zu bekleben, zu bearbeiten und zu verändern. Das ist die DNA des Labels. Es ist roh, pur und hat eine weiche Seite.
Ihre Männerkollektionen waren von Anfang an auch für Frauen interessant.
Ja, natürlich. Deswegen war jetzt der Zeitpunkt, eine Frauenkollektion zu machen. Die Idee gab es schon immer, und ich konnte das nicht mehr lange aufheben. Denn irgendwann trägt man die Überschrift "Männerdesigner" auf der Stirn. Es war schon immer so, dass viele Frauen der Kollektion gefolgt sind. Ich glaube, da geht es eher um eine Grundphilosophie und nicht um Mann oder Frau.
Ihre Sommerkollektion für Herren ist sinnlich, fast schon sexy. Ihre Frauenmode hingegen verzichtet auf Körperbetontes, was aber gerade viele andere Designer machen.
Genau das ist mein Antrieb: Ich will nicht einfach machen, was die anderen machen. Jemand, der sich wirklich auskennt und sich meine Mode nicht voreingenommen anschaut, der kann nicht behaupten, dass ich das Gleiche wie Rick Owens, Ann Demeulemeester oder Haider Ackermann mache.
Sind die Sachen aus den beiden Kollektionen austauschbar?
Das kann man so im Allgemeinen nicht sagen. Es gibt ja heute viele Männer, die eine androgyne Figur haben. Es gibt ein paar Oversized-Sachen, die können beide tragen. Da geht es dann eher um das Konzept. Aber die meisten anderen Teilen sind sehr auf den Frauenkörper zugeschnitten. Das könnte ein Mann nur schwer tragen. Aber es gibt in Asien Körper, die sehr androgyn sind. Und das ist natürlich interessant. Tatsache ist ja, dass sich Mann und Frau körperlich schon sehr annähern, finde ich.
Zerstören sich nicht einfach die Stereotype?
Es ist so, dass in den Achtziger- und Neunzigerjahren das männliche Ideal ein anderes war. Da ging es dann schon viel um dieses klassisches Muskelding. Als ich angefangen habe, sahen die Models anders aus, sehr sportlich. In den letzten Jahren hat sich das sehr geändert. Es sind andere Typen gefragt, das fängt bei den Modeschauen an und kann bis auf die Straße reichen. Die 18-jährigen Jungs wollen anders aussehen als vor zehn Jahren.
Also ein natürlicher Prozess?
Ja, so würde ich das sagen. Mode ist ja Veränderung. Es geht immer um den Wechsel. Dafür wurde es langsam Zeit, weil wir seit acht Jahren das Gleiche machen.
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