Andreas Speit der rechte rand: Wie eine junge Frau als KZ-Aufseherin Karriere machte
Irmgard Ilse Ida Grese machte Karriere: In Ravensbrück, Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen war Grese als Aufseherin tätig. Engagiert und empathielos beschrieben Zeugen Greses Umgang mit den Häftlingen im Bergen-Belsen-Prozess vor 73 Jahren. Am 13. Dezember 1945 wurde die damals 22-Jährige als eine der wenigen NS-Täterinnen hingerichtet. Eine szenische Lesung der Gedenkstätte Bergen-Belsen mit dem Schlosstheater Celle soll die zum Mythos gewordene Täterin hinterfragen.
Seit den 1970er-Jahren ist das Grab der SS-Aufseherin auf einem Hameler Friedhof ein Wallfahrtsort für Gleichgesinnte. Dort, Am Wehl, liegen 197 hingerichtete NS- und SS-Verbrecher sowie Straftäter gegen das Besatzungsrecht.
Schon im Verfahren vor einem britischen Militärgericht in Lüneburg fiel Grese unter den 44 Mitbeschuldigten besonders auf – wegen ihres jungen Alters und ihres brutalen Handelns. In der internationalen Presse wurde sie als „Beast of Belsen“ bezeichnet.
In Wrechen, Mecklenburg-Vorpommern, wuchs Grese mit ihrem Vater und vier Geschwistern auf. 1939 nahm sich ihre Mutter das Leben. Nach der Volksschule und dem Reichsarbeitsdienst arbeitete Grese als Schwesternhelferin im SS-Sanatorium Hohenlychen. Im Spätsommer 1942 wird sie Aufseherin im Frauen-KZ Ravensbrück, erhält Aufsicht über kleinere Arbeitskommandos. Im März 1943 wird sie als Hilfspersonal der SS ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau versetzt, leitet bald ein Straßen- und Gartenbaukommando. Ab Mai 1944 untersteht ihr das Frauenlager mit bis zu 30.000 weiblichen Häftlingen. Ende 1944 führt sie zwei Blöcke mit männlichen Inhaftierten im Stammlager. Bei den Evakuierungen in Auschwitz und Ravensbrück leitete sie einen Häftlingstransport bis nach Bergen-Belsen. Hier war sie als Arbeitsdienstführerin tätig. Mit ihrem Vater überwarf sich Grese bereits wegen ihrer Tätigkeit in Ravensbrück.
Im damaligen Verfahren hatte ihre Verteidigung auf „nicht schuldig“ plädiert. Die Verteidigung behauptete, so der Historiker Ernst Klee, die „Juden wurden in diesen Lager als Spitzel verwendet und besaßen gewisse Vorrechte“. Sie selbst erklärte, die „Häftlinge nicht nur mit der Hand geschlagen“ zu haben. In Auschwitz hätten „einige Aufseherinnen für etwa eine Woche Peitschen“ gehabt. „Mit einer solchen habe ich einige Male Häftlinge geschlagen, bis die Benutzung der Peitschen verboten wurde“, sagte sie weiter.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland
Bei der Befreiung des KZs in der Lüneburger Heide fanden die britischen Truppen über 10.000 Tote und etwa 60.000 Überlebende. Als verbliebenes Lagerpersonal wurde Grese am 17. April verhaftet und verpflichtet, die Leichen in Massengräbern zu bestatten. Danach wurde sie in Hameln hingerichtet.
Szenische Lesung: 20. Januar, 14.30 Uhr, Turmbühne Schlosstheater Celle, Eintritt frei, Anmeldung bis zum 13. Januar
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