Andreas Hergeth Der Wochenendkrimi: Im Saarbrücken-„Tatort“ werden Geldtransporter und Grenzen gesprengt
Manche Blicke sagen mehr als viele Worte: Der Sicherheitsbeamte Ralf Hochstädter (Jean-Luc Bubert) schaut im Casino dabei zu, wie Geldscheine für den Transport gezählt und verpackt werden. Fast 3 Millionen. Seine Blicke könnten zweierlei bedeuten. Will ich auch! Oder: Hoffentlich geht nachher alles gut. Schließlich ist das hier ein „Tatort“-Krimi, und er heißt: „Das Ende der Nacht“.
Der Geldtransporter ist im nächtlich-einsamen Saarbrücken unterwegs. Schnell überschlagen sich die Ereignisse, das ist spannend erzählt. Der Geldtransporter wird unter einer Brücke gestoppt, es kommt Sprengstoff zum Einsatz. Was macht man in so einer Situation? Sich streng ans Protokoll halten, wie es der jüngere Kollege, der Fahrer Aytaç Çelik (Mücahit Altun) tun will: Im Wagen bleiben und auf die Polizei warten? Oder nur raus aus dem Transporter, wie es der ältere Kollege Hochstädter aus Angst vor den Flammen vorschlägt? Er steigt aus und wird eiskalt erschossen.
Parallel zum Geschehen rund um den Überfall sehen wir eine einsame Passantin. Es handelt sich um, und das wirkt etwas arg konstruiert, die schlaflose Hauptkommissarin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer). Sie holt sich in einer Nachtapotheke illegal Tabletten. Sie ist in der Nähe und als Erste am Tatort.
Als die Hauptkommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) eintreffen, bietet sich ihnen ein verstörendes Bild, das die gewaltige Explosion hinterlassen hat. Dennoch können sie scherzen. „Nicht schon wieder Geld!“, stöhnt der eine. „Das gibt bunte Fingerchen, wenn sie sich nicht auskennen“, sagt der andere. Wie es aussieht, waren hier aber Profis am Werk. Und was hat die Zahl 73 zu bedeuten? Nummerieren die Kriminellen etwa ihre Überfälle?
Schnell haben die beiden Hauptkommissare da so einen Verdacht. Sie machen beim Verhör des Fahrers, der unter Schock steht, keine gute, eher eine miese Figur. Rassistisch motivierte Klischees kommen zum Tragen.
Die Fahndung läuft bald grenzüberschreitend. Eine Spur führt zu einer Verbrecherbande in Frankreich, die französische Polizei wird hinzugezogen. Derweil bekommt Carla Radek (Lena Urzendowsky) Besuch von Hölzer und Schürk. Denn ihre Eltern könnten die Täter sein, doch von denen hat sie schon seit Ewigkeiten nichts mehr gehört oder gesehen. Aber stimmt das auch? Zentral ist hier die Frage, was Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben, wie sie sie prägen und formen.
Dann nimmt die Sache rasant Fahrt auf. Ab Minute 40 eskaliert die Lage. Hauptkommissarin Heinrich gerät in Lebensgefahr.
Dass in diesem clever gestrickten Fall über Grenzen hinweg und in zwei Sprachen ermittelt wird, ist superb und tut dem „Tatort“ richtig gut (die Zweisprachigkeit steht schon dem deutsch-polnischen „Polizeiruf 110“ vom RBB gut zu Gesicht). Bitte mehr davon. Denn das erweitert den Horizont und ermöglicht neue Erzählräume und -stränge.
Wird der Saarbrücker „Tatort“ künftig also öfter nach Frankreich gehen? „Nur, wenn es dafür einen dramaturgischen Grund gibt“, sagt der SR-„Tatort“-Redakteur Christian Bauer im Pressematerial. Na, liebe Drehbuchautor:innen, gebt der Redaktion öfter einen Grund. „Das Ende der Nacht“ mit dem furiosen Showdown in einem französischen Bunker ist doch ein gelungenes Beispiel. Und der Saarbrücken-„Tatort“ kommt ja leider nur einmal im Jahr.
Saarbrücken-„Tatort“, „Das Ende der Nacht“: So., 26. 1., 20.15 Uhr, ARD, 21.45 Uhr, One; Mediathek
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