Anders wohnen: Pappe: Schön und ohne jede Chance
■ Eine Abhandlung über ideologische Gründe, die Pappmöbel den Durchbruch vermiesen
Es ist das Vertrauen. Deutsche Eiche hat es. Mahagoni hat es. Kirsche – Ommas Küchenschrank, ganz toll. Nussbaum auch. Und Kiefer – naja, billigbillig, aber immerhin. Aber Pappe? Nein. Pappe und Vertrauen, das geht nicht zusammen. Und genau diese Urtugenden von Vertrauen, von Zuverlässigkeit, auch von Disziplin sind es doch, die Möbel aus Pappe von vornherein chancenlos machen. Unsereins kann nun mal nicht anders. Dass der Papptisch die Weihnachtsgans aushält, der Pappstuhl die 120 Kilo von Onkel Martin und das Pappbett gar Bewegungen verschiedenster Art von Gerda und Franz: Nee, kann doch nicht sein.
Aber das stimmt doch gar nicht. Pappmöbel, betonen die Hersteller wieder und wieder, sind praktisch und schön und nicht so teuer. Und haltbar. Denn es ist ja nicht die normale Aldipappe, auf der man seinen Hintern platziert – es sind besonders stabile, besonders klug und strategisch günstig geplante Konstruktionen, die den Funktionen hölzerner Möbel locker gerecht werden. Und dennoch: Keiner will sie wirklich. Oder? „Mein Pappbett ist super“, sagt die umzugserprobte Kollegin. Trotzdem hat sie sich jetzt eins aus Holz gekauft. „Mein Papptisch ist prima“, sagt die Freundin. Trotzdem steht der jetzt auf dem Balkon und verkrumpelt wie der Kaktus auf ihm.
Das Image fehlt. Wer „Pappmöbel“ denkt, denkt nichts anderes. Denkt nicht wie bei „Nierentisch“ an die eigentümlichen Gelb- und Türkistöne der 50er Jahre, an Etagenwohnungen, an Fleisch mit Soße. Denkt nicht wie bei „Flokati“ an das Che-Poster, den Araber-Feudel und die Henna-Reste im Waschbecken. Pappmöbel kann man am ehesten noch mit den 80ern verbinden. Und was hatten die außer Joan Collins und der Erfindung des Mega-Schulterpolsters zu bieten? Nüscht. Wirklich garnüscht.
So. Kein Vertrauen, kein Image, keine Zukunft. Dabei geht mit Pappe alles. Echt. Auch das Ende: im Pappsarg. sgi
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