Analyse: Investitionsruine EPR
■ Siemens neugeplanter Atommeiler ist weder sicher noch rentabel
Ohne ihn ist eine Zukunft der Atomenergie in Europa nicht vorstellbar: Auf den in deutsch-französischer Kooperation geplanten „Europäischen Druckwasserreaktor (EPR)“ setzen die deutschen Stromkonzerne ihre Hoffnungen, den Wiedereinstieg in eine nukleare Energiezukunft zu packen. Denn mit ihm soll das Risiko schwerer Unfälle beherrscht werden. Ein vom Darmstädter Ökoinstitut und dem schleswig-holsteinischen Energieministerium veranstalteter Worshop belegte am Donnerstag eindrucksvoll, daß auch dem EPR das Schicksal einer Investitionsruine droht. Kalkar und Wackersdorf lassen grüßen. Die Reaktorlinie ist zu einer 500 Millionen Mark teuren Beschäftigungstherapie zweier Konzerne geworden, denen es vorrangig darum geht, ihr Know-how in der Atomtechnik nicht zu verlieren.
Das Problem des EPR ist sein Preis: Nur unter optimistischen Annahmen kann die neue Reaktorlinie im liberalisierten europäischen Strommarkt mit modernen Gaskraftwerken oder der Verstromung von Importkohle konkurrieren. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Nuclear Power International (NPI), einer Tochter von Siemens und Framatome, geht davon aus, daß innerhalb von zehn Jahren gleich zehn Kraftwerke der neuen Reaktorlinie in Frankreich und Deutschland gebaut werden und die Preise für Kohle und Gas nicht weiter sinken. Zudem muß der EPR eine bisher bei Atomanlagen nie erreichte Verfügbarkeit von 90 Prozent und 60 Jahren Lebensdauer erreichen, um sich zu rechnen. Das alle Annahmen eintreffen, ist unwahrscheinlich. Zudem fordert das deutsche Atomgesetz für die Genehmigung von Neuanlagen, daß ein Kernschmelzunfall beherrschbar ist: Der radioaktive Fallout muß am Werkstor enden. Das Sicherheitskonzept, daß NPI-Direktor Ulrich Fischer vorlegte, konnte aber nicht überzeugen. Die von ihm beschriebenen technischen Gründe, warum ein Aufeinandertreffen von Kernschmelze und Wasser nicht den ganzen Reaktordruckbehälter in Stücke reißen soll, beruhen auf dürrer Datenlage. So war das Fazit, das Lothar Hahn vom Darmstädter Ökoinstitut und der Saarbrücker Physiker Dr. Michael Reimann fast gleichlautend zogen: Beim derzeitigen Planungsstand ist ein frühzeitiges Versagen des Containments in Verbindung mit der massiven Freisetzung von Spaltprodukten nicht auszuschließen. Bleibt es dabei, hat sich das „revolutionäre“ Reaktorkonzept erledigt. Marco Carini
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