Analyse: Zug um Zug
■ Bei der Steuerreform signalisieren die Parteien seit Tagen Kompromisse
Zum x-tenmal scheint eine Einigung zwischen Koalition und Opposition über Steuerreform und Lohnnebenkosten bevorzustehen. Nachdem SPD-Chef Oskar Lafontaine den Stein am Mittwoch durch konkrete Vorschläge ins Rollen gebracht hat, zeigt auch die Koalition Kompromißbereitschaft. Wie auch immer die Verhandlungen ausgehen, einer hat von der Entwicklung auf jeden Fall profitiert: der potentielle Kanzlerkandidat der SPD, Gerhard Schröder.
Als vor einigen Wochen nichts mehr zu gehen schien, war er es, der vorschlug, die Mehrwertsteuer um einen Punkt zu erhöhen, damit der Rentenbeitrag nicht auf 21 Prozent angehoben werden muß. Diesen Vorschlag griff jetzt auch Oskar Lafontaine auf. Schröder hatte damals große Diskussionen innerhalb der SPD ausgelöst. Die Fraktion beharrte auf ihrem Standpunkt, die Mehrwertsteuer nur gemeinsam mit der Mineralölsteuer anheben zu wollen, und kritisierte Schröders eigenmächtiges Vorgehen. Und SPD-Chef Oskar Lafontaine, der von dem Vorstoß seines Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur überrascht wurde, mochte sich nicht festlegen. Der innerparteiliche Zwist wurde dadurch aufgelöst, daß die Koalition beschloß, die mit einer Rentenkürzung verbundenen Rentenstrukturreform auf 1998 vorzuziehen. Selbst der Koalition war klar: Eine Einigung war dadurch ausgeschlossen. Alles schien beim alten zu bleiben.
Mittwoch wiederholte Oskar Lafontaine Schröders Idee, mit der Bedingung, die Rentenreform dürfe nicht schon 1998 in Kraft treten. Und er machte einen Vorschlag zur Steuerreform. Der unterste Steuersatz sollte auf 22 Prozent ( bisher 25,9) und der Spitzensteuersatz von 53 auf 49 Prozent gesenkt werden. Die Koalition befürwortet einen Steuerverlauf von 15 bis 40 Prozent. Und sie befindet sich in Zugzwang. Am ehesten scheint noch die Mehrwertsteuererhöhung für 1998 einigungsfähig zu sein. Die FDP signalisierte, daß sie nicht mehr auf ein Vorziehen der Rentenreform auf 1998 beharrt. Die Bedingungen der SPD wären erfüllt. Auch bei der Steuerreform signalisiert die FDP Entgegenkommen. Zunächst könne auf eine Nettoentlastung verzichtet werden, sagte der Fraktionsvorsitzende Solms. Finanzminister Theo Waigel signalisierte lediglich Gesprächsbereitschaft. Unbeantwortet blieben SPD-Forderungen nach Erhöhung von Kindergeld und Grundfreibetrag. Da wollen Union und FDP auf keinen Fall mitmachen. Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen