Analyse: Der lange Marsch
■ Die Sonde zum Mond ist nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Mars
Schneller, besser, billiger“ – getreu ihrem neuen Motto ist die Nasa wieder einmal unterwegs. In der Nacht zum Mittwoch ging der „Lunar Prospector“ auf die Reise zum Mond. Die 1,20 mal 1,40 Meter große blaue Sonde soll den Mond ein Jahr lang umkreisen und hat in den kurzen zwei Jahren von der Entwicklung bis zum Abschuß nur 63 Millionen Dollar gekostet, etwa 115 Millionen Mark. Das unter Präsident Kennedy 1961 gestartete Apollo-Programm mit sechs bemannten Mondlandungen hat dagegen nach damaligen Preisen 20 Milliarden Dollar verschlungen und etwa 500.000 Menschen über zehn Jahre beschäftigt.
Der „Lunar Prospector“ hat eine zwiespältige Mission. Einerseits soll er mit Hilfe seiner Meßgeräte die chemische Zusammensetzung der Mondoberfläche genauer vermessen als alle bemannten Apollo-Missionen zusammen. Die Sonde soll klären, ob die gängigen Theorien von der Abspaltung des Mondes von der Erde stimmen können und ob es wirklich gefrorenes Wasser in den Kratern des dortigen Südpols gibt. Andererseits ist sie wie alle Nasa-Raumgefährte ein Propagandainstrument. Dabei steht nicht mehr die Begeisterung über die technische Machbarkeit im Vordergrund, die Verschiebung der magischen „letzten Grenze“ der Menschheit. Heutzutage will die Nasa zeigen, daß sie ihr Geld viel rationeller einsetzt als in früheren Jahren.
Die USA geben für die Missionen der Nasa etwa fünf- bis zehnmal mehr aus, als die EU für Missionen der europäischen Raumfahrtagentur ESA spendiert. Um diese Mittel in Washington zu mobilisieren, reicht die Aussicht auf verwertbare Messungen für die Forschung alleine nicht aus. Deshalb lockt die Nasa im Hintergrund immer mit dem großen Ziel: dem ersten bemannten Flug zum Mars. Der Mond ist auf dem Weg dahin nur eine Zwischenstation.
Bevor ein US-Amerikaner seinen Fuß auf den Mars setzen kann, muß einiges getestet werden. Eine Station auf dem Mond wäre dafür gut geeignet. Dort wären Astronauten im Gegensatz zu Raumstationen wie der erdnahen Mir der gefährlichen kosmischen Strahlung ebenso ungeschützt ausgesetzt wie auf einem Marsflug. Nur daß sie vom Mond rasch in eine irdische Klinik gebracht werden könnten, falls eine Sonneneruption den Raumfahrern eine radioaktive Überdosis verpassen sollte. Auch Anlagen zur Erzeugung von Sauerstoff und Wasserstoff müssen vor einem Einsatz auf dem Mars einen Testlauf absolvieren. Ohne solche Tests auf dem Mond würde die Nasa ihre Mars-Astronauten auf ein Himmelfahrtskommando schicken. Und verstrahlte oder gar tote Raumfahrer würde die Geldhähne in Washington zudrehen. Der „Lunar Prospector“ ist eigentlich eine Marssonde. Reiner Metzger
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