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AnalyseDer ewige Putschist

■ In Chile hat eine neue Debatte über die Rolle Augusto Pinochets begonnen

In Chile ist acht Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur eine neue Debatte über die Rolle der Militärs entfacht. Es geht natürlich um Augusto Pinochet, den 82jährigen Ex-Diktator. Der gibt bis Ende März sein Amt als Oberster Heereschef auf und will dann – wie die Verfassung es ihm als Ex-Präsidenten zugesteht – als Senator auf Lebenszeit in die zweite Kammer des chilenischen Parlaments einziehen. Das will die große Mehrheit der chilenischen Abgeordneten nicht. Am Mittwoch verabschiedete das Abgeordnetenhaus mit 56 gegen 26 Stimmen eine Erklärung, in der Pinochets Wunsch zurückgewiesen wird. Ein Senatssitz für den General, der am 11. September 1973 den Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten Salvador Allende anführte und bis 1990 der Diktatur vorstand, sei der Bemühung um Versöhnung in Chile abträglich.

Nur hat die Erklärung des Parlaments keinerlei verbindliche Wirkung. Eine Reihe von Abgeordneten der Mitte-links-Regierungskoalition will daher eine Verfassungsklage gegen Pinochet einreichen – bei der herauskommen soll, daß ein Senatssitz Pinochets den Interessen der Nation schadet, zudem er für das Präsidentenamt niemals gewählt worden war. Über die Frage allerdings, ob ein solcher Prozeß politisch opportun ist, streitet sich auch die Koalition. Jetzt soll eine Volksabstimmung über Pinochets Zukunft entscheiden.

Der Generalstab der Armee hat sich „verärgert“ gezeigt. Und wenn die Generäle sich ärgern, dann heißt das noch immer etwas in Chile. Denn die von der Diktatur 1980 eingeführte Verfassung ist nur wenig modifiziert worden – und sie garantiert dem Militär politische Blockademacht.

Am kommenden Mittwoch soll im Parlament eine Generaldebatte über die Rolle Pinochets nach der Regierungsübernahme durch ein ziviles Regime 1990 stattfinden. Pinochet selbst hatte die neuerliche Diskussion über das Putschistenregime provoziert, als er in den letzten Monaten so verächtlich über seine Opfer herzog, daß die regierenden Sozialisten wie Christdemokraten protestieren mußten.

Dabei steht Pinochet mit seiner Ansicht, der Militärputsch 1973 sei gerechtfertigt gewesen, durchaus nicht alleine da. Angesichts der im lateinamerikanischen Vergleich recht positiven wirtschaftlichen Entwicklung, die das Land mit dem von der Militärdiktatur implantierten neoliberalen Modell genommen hat, sind auch viele chilenische Bürger bereit, keine Fragen mehr nach staatlichem Mord und Folter während Pinochets Amtszeit zu stellen. Schon hatte kaum noch jemand geglaubt, daß die Menschenrechtsverletzungen zu Lebzeiten Pinochets noch einmal thematisiert würden. Insofern ist allein die neue Debatte eine Genugtuung für die Opfer. Bernd Pickert

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