Analyse: Kohl für Bertelkirch
■ Der Kanzler legt sich für das Digital-TV mit Kartellbehörden an
Derzeit prüft die EU-Kommission, ob die Fusion der beiden Konzerne Bertelsmann und Kirch beim digitalen Bezahlfernsehen nach dem Wettbewerbsrecht zulässig ist. Das Bundeskartellamt hat das Zusammengehen bereits als unzulässig gebrandmarkt. Doch für den Kirch-Freund Helmut Kohl sind die laufenden Kartellverfahren noch lange kein Grund, sich zurückzuhalten: Die wettbewerbsrechtlichen Prüfungen dürften der „überfälligen Einführung“ des digitalen Kabelfernsehens nicht grundsätzlich im Wege stehen, sagt er jetzt in einem Interview mit der Unternehmenszeitschrift von Pro7 – zufällig ein Sender der Familie Kirch.
Als Kohl sich im Herbst schon einmal bei der EU zugunsten von Kirch einmischte, ging EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert an die Öffentlichkeit.
In den letzten zwei Jahren war es Leo Kirch nicht gelungen, im Alleingang sein digitales Paket namens DF 1 am Markt durchzusetzen. Dann einigten sich er und Bertelsmann auf einen gemeinsamen zweiten Anlauf unter dem Dach von Premiere, dem einzigen schon etablierten Bezahlsender in Deutschland. Doch auch dieses Projekt steckt jetzt in enormen Schwierigkeiten. Mitten im Weihnachtsgeschäft stoppte van Miert die Vermarktung von Premiere Digital, einer Erweiterung des herkömmlichen Premiere-Angebots mit der von Kirch entwickelten d-Box. Das drohende Verbot aus Brüssel dürfte die Skepsis der Kunden gegenüber Digital-TV erhöht haben. Hinzu kommen ein Negativ-Image aus der Debatte über die Empfangbarkeit von Fußball-Großereignissen und ein wegen gut ausgebauter Kabelnetze gesättigter Fernsehmarkt. Für Kirch könnten zusätzlich Finanzprobleme entstehen, falls die Münchner Staatsanwaltschaft, die in den letzten Monaten mehrfach Durchsuchungen bei ihm und seinen Geschäftspartnern durchgeführt hat, ihm Steuerhinterziehung in dreistelliger Millionenhöhe nachweist.
Schon gibt es Meldungen, Bertelsmann distanziere sich von Kirch. Die Süddeutsche Zeitung zitierte Unternehmenssprecher Manfred Harnischfeger mit den Worten, möglicherweise könne seine Firma noch aussteigen. Schon schießen Spekulationen über andere Beteiligte ins Kraut: Die CLT-UFA (Miteigner von Premiere) gehört neben Bertelsmann dem belgischen Bankier Albert Frère und der Essener Zeitungsgruppe WAZ. Die hätten keine Lust, die hohen Verluste aus dem Pay-TV-Geschäft mitzutragen, heißt es.
Doch so schnell bricht das Bündnis nicht. CLT-UFA und ihre Gesellschafter stünden „voll hinter der geplanten Pay- TV-Kooperation“, lautet das Dementi aus der Luxemburger Zentrale. Und WAZ-Geschäftsführer Erich Schumann sagt: „Wir sehen keine Veranlassung, die Flinte jetzt schon ins Korn zu werfen.“ Allerdings: Laut Verträgen steht das Digital-Kartell unter dem Vorbehalt der Zustimmung der EU- Kommission. Die erwarteten Einwände und Auflagen aus Brüssel könnten dann doch ein Anlaß zum Ausstieg sein. Hart wird es auf jeden Fall. Bis zu einem EU-Beschluß in einigen Monaten wird man kaum Digital-TV-Kunden gewinnen können. Bei allem Kanzleroptimismus. Georg Löwisch
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