Analyse: (Staats-)Kunst ist frei
■ Der Kunstbeirat des Bundestages läßt Heisig den Reichstag gestalten
Es ist ein Jammer mit den Biographien. Da hatte sich der Leipziger Künstler Bernhard Heisig vom jungen Nachkriegsmaler in der DDR bis zum Rektor der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst hochgedient – und mit einem Mal stand er 1990 im wiedervereinigten Deutschland am Pranger. Was nützte es, daß Heisig 1989 seine Ehrenmedaillen an die SED zurückgegeben hatte. Er geriet dennoch ins Visier derer, die in ihm einen staatskonformen Maler sahen, der sich mit der Partei solange gutgestellt hatte, wie sie eben Recht hatte. Sehr zum Nachteil all jener jungen Leipziger Kunststudenten, die in den achtziger Jahren für ihre Performance-Aktivitäten von der Hochschule geflogen waren.
Heisig jedenfalls war stets bei der Sache gewesen: In den fünfziger Jahren malte er Propagandaplakate für die Jungen Pioniere, später erhielt er den Theodor-Körner-Preis der Nationalen Volksarmee. Und noch 1984 verteidigte er gegenüber dem Spiegel im Interview, daß seine „Partner“ – Bezirksräte und Firmenleitungen – das Recht hätten, sich in die jeweils bestellte Kunst einzumischen: Schließlich habe auch Rembrandt die Mäkeleien der Amsterdamer Schützengilde gebraucht, um seine „Mahnwache“ malen zu können.
Darf ein solcher Künstler, der den Auftraggeber über die eigene Kreativität setzt, seine Bilder in den umgestalteten Reichstag hängen? Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages meint ja und beruft sich dabei auf die Freiheit der Kunst. Man will keine Gesinnungsprüfung vornehmen, sondern Heisig allein wegen des „formalen und inhaltlichen Niveaus seiner Malerei“ für die Gestaltung des künftigen Bundestages vorschlagen. Die deutliche Stellungnahme des Kunstbeirats war notwendig geworden, nachdem Heisig nicht nur wegen seiner früheren Nähe zur SED angegriffen worden war, sondern auch, weil er sich 1941 als 16jähriger zur Wehrmacht gemeldet hatte. Ein Jahr später hatte Heisig freiwillig bei einer SS-Panzer-Division gedient. Mit dieser Entscheidung hat sich der Maler zeitlebens auseinandergesetzt, in teils grotesken, immer aber aggressiven Bildern gegen den Faschismus. Der DDR war diese Abrechnung wiederum äußerst willkommen, so wie sein flammend expressionistisches Bildnis von „Lenin und dem ungläubigen Timofej“ durchaus als Propagandabild funktionierte. Offenbar hat auch der Kunstbeirat Heisigs Engagement zu schätzen gelernt: Als „Miterlebender und Betroffener“ sei er besonders dafür geeignet, mit seinen Bildern deutsche Geschichte zu repräsentieren. Die Zielrichtung solch gedankenloser Argumentation erinnert sehr an das Aufwiegen von Opfern und Tätern, an jene Indifferenz, mit der bereits in der Neuen Wache allgemein der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird. Aber so ist das eben mit Staatskunst. Harald Fricke
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