Analyse: Daimler goes East
■ Zusammenarbeit mit Nissan geplant
Jürgen Schrempp darf sich mit Fug und Recht bald Herrscher über ein Reich nennen, in dem die Sonne niemals untergeht. Der Stuttgarter Autokönig hat mit der Fusion Daimler-Benz-Chrysler nicht nur einen Riesencoup auf der westlichen Hemisphäre gelandet. Jetzt streckt der Daimler- Chef seine Finger nach Osten aus, nach dem japanischen Lkw-Hersteller Nissan Diesel. Gestern bestätigten die beiden Firmen: Seit Monaten schon wird um eine Kooperation in Entwicklung, Produktion und Vertrieb verhandelt. Und am Ende der Verhandlungen könne durchaus eine Übernahme von Anteilen stehen.
Dem Nissan-Konzern macht seine Lkw-Tochter, an der er mit knapp 40 Prozent beteiligt ist, schon lange keine Freude mehr. Im Geschäftsjahr 1997/98 betrugen deren Verluste schätzungsweise 190 Millionen Mark. Die Mutter Nissan Motors kann da nicht helfen, denn durch die Asienkrise ist sie selbst in Bedrängnis geraten. Eben diese Krise aber könnte nun Daimler ausnutzen: In ganz Asien sind die Aktienkurse und die Währungen so kräftig gesunken, daß Unternehmen im Sonderangebot zu haben sind. Eine Kooperation ist daher wohl tatsächlich nur der erste Schritt.
Daimler hat längst angekündigt, in Asien ein Viertel seines Konzernumsatzes einspielen zu wollen (statt jetzt knapp neun Prozent). Um dieses Ziel zu erreichen, sind aber die Daimler-Nutzfahrzeuge zu aufwendig und damit zu teuer, wie die Firmenleitung selbst einräumt. 1997 wurden nur schlappe 12.000 Laster mit dem Stern in Asien verkauft. Schon länger versucht der Stuttgarter Konzern seine Präsenz in Asien zu verstärken, etwa durch Joint-ventures in China, durch Lizenzproduktion in Südkorea oder eigene Produktion in Indonesien. Eine einheitliche Strategie aber war nicht zu erkennen.
Eine Zusammenarbeit mit dem in der Region etablierten Hersteller Nissan macht also Sinn und gibt der Globalisierung neuen Schwung. Ob es noch lange in Japan elf unabhängige Autohersteller geben wird, ist fraglich. Viele Kfz-Konzerne jedenfalls nehmen denselben Weg wie Daimler: BMW und VW prügeln sich um Rolls Royce, Fiat und Renault legen ihre Omnibus-Herstellung zusammen, und VW will mit Saab gemeinsam Lkws bauen.
Die deutschen Autokonzerne, zeigt das, sind wieder Global Players der ersten Liga geworden. Die Globalisierung ist für sie Chance und nicht Schrecken. Und tatsächlich entspricht weder die Fusion mit Chrysler noch die Kooperation mit Nissan dem Schreckensbild, das gerade die deutsche Industrie von der Globalisierung verbreitete: Hier geht es nämlich keineswegs darum, angeblich übermäßig teure Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, um anderswo billiger produzieren zu lassen. Es geht vielmehr um Erschließung neuer Märkte und gegenseitige Ergänzung. Nicola Liebert
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