Analyse: Robin Cooks Grab
■ Die Waffenaffäre um Sierra Leone schwächt den britischen Außenminister
Das Grab des weißen Mannes – so hieß zu Kolonialzeiten die sumpfige Mangrovenküste Westafrikas, wo in den feuchtheißen tropischen Kolonien wie Sierra Leone kaum ein Europäer längere Zeit überlebte. Nun wird Sierra Leone einem Politiker zum Verhängnis, der als einer der klügsten Köpfe seines Landes gilt: Robin Cook, britischer Außenminister und im laufenden Waffenskandal die zentrale tragische Figur.
Klar ist: Die zuständigen Beamten im britischen Außenministerium wußten, daß das Söldnerunternehmen „Sandline“ über Nigeria Waffen an eine Privatmiliz des sierraleonischen Präsidenten im Exil liefern sollte, was einen klaren Bruch des UN-Waffenembargos gegen Sierra Leone darstellte. Robin Cooks Dilemma ist ganz einfach: Entweder er wußte es auch, dann hätte der führende britische Verfechter einer neuen „ethischen Außenpolitik“ den Bruch einer UN-Resolution durch eines der führenden Sicherheitsratsmitglieder abgesegnet. Oder er wußte es nicht, dann hätte er seinen Laden nicht im Griff. In beiden Fällen ist der Minister irreparabel beschädigt. Premierminister Tony Blair hat ihn schon halb fallen gelassen, indem er den Bruch des UN-Waffenembargos – den Cook ja gerade untersuchen läßt, um wenigstens einen Schein moralischer Betroffenheit zu wahren – gerechtfertigt hat. Cook kann nun entweder zurücktreten, sich bei der anstehenden Kabinettsumbildung versetzen lassen oder ohne Autorität weitermachen.
Die Affäre trifft einen Minister, dessen Demontage längst im Gange ist. Cook gilt als überdurchschnittlich intelligent, was britischen Politikern schon oft zum Verhängnis geworden ist. Er hegt in zentralen Fragen wie der britischen Haltung zum Euro grundlegende Differenzen mit Finanzminister Gordon Brown, der mächtigen Nummer zwei der Regierung Blair. Bei seinen Diplomaten gilt Cook als Überflieger ohne Sinn für Detail und Tradition. Sein ruppiger Umgang mit Ehefrau und Mitarbeiterinnen hat ihn viele Sympathien gekostet. Seine diplomatischen Pannen bei Auslandsbesuchen – von unbedachten Äußerungen zu Kaschmir in Indien über sein Zerwürfnis mit Benjamin Netanjahu in Israel bis zur jetzigen Waffenaffäre – legen nahe, daß jemand ihn schlecht berät.
Ein Minister, vor allem einer ohne Regierungserfahrung, kann nicht von Anfang an alles wissen. Aber er muß darauf zählen können, daß man ihn gut führt und ihm alles zum rechten Zeitpunkt richtig erklärt. Offenbar nehmen die Berufsbeamten um Robin Cook diese Aufgabe nicht wirklich ernst. Mit Absicht? Diese Frage wird wahrscheinlich nie beantwortet werden, auch wenn die Einzelheiten des Waffendeals mit Sierra Leone vollständig aufgeklärt sind. Dominic Johnson
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