Analyse: Im Schatten Suhartos
■ Kaum Reformer in Indonesiens neuer Regierung - aber viele Militärs
Bacharuddin Jusuf Habibie, der neue Präsident Indonesiens, hat gestern die 36 MinisterInnen seines mit Spannung erwarteten „Reform- und Entwicklungskabinetts“ vorgestellt. „Frei von Korruption, Filz und Vetternwirtschaft“ soll seine Regierung sein, kündigte der Nachfolger des am Donnerstag überraschend zurückgetretenen Suharto an.
Tatsächlich schieden prominente Persönlichkeiten aus der Regierung aus, deren Namen zum Symbol des korrupten Suharto-Systems geworden waren: vorneweg die Sozialministerin und Suharto-Tochter Siti Hardiyanti Rukmana. Der zuletzt zum Industrie- und Handelsminister aufgestiegene Holzexporteur Bob Hasan, ein langjähriger Golf- und Geschäftspartner Suhartos, mußte ebenfalls gehen.
Das Wirtschaftsministerium behält der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) als Verhandlungspartner geschätzte Ginandjar Kartasasmita. Auch der neue Finanzminister ist ein Technokrat, der unter der vergangenen Regierung seinen Job verlor – möglicherweise, weil er zu eifrig versucht hatte, gegen die Interessen der Suharto-Familie vorzugehen.
Dennoch hielt sich die Begeisterung über Habibies Ministerriege in Jakarta in Grenzen: Denn das mächtige Militär hat seine Stellung im Kabinett deutlich verstärkt. Armeechef Wiranto bleibt Verteidigungsminister. Verantwortlich für die nationale Sicherheit wird der konservative Exoberbefehlshaber der Streitkräfte und Habibie-Freund, Feisal Tanjung. Auch der Informationsminister ist ein hoher Offizier.
Zahlreiche enge Vertraute und alte Mitarbeiter Suhartos haben ihren Posten behalten oder sind neu in die Regierung gekommen. Habibie hatte offenbar Schwierigkeiten, andere Prominente zu finden. Sie weigerten sich, in seinem Kabinett mitzuarbeiten, weil sie nicht ihre Glaubwürdigkeit als Reformer aufs Spiel setzen wollten. Der populäre Exumweltminister Emil Salim zum Beispiel sprach abfällig von einem „Übergangskabinett“.
Auch der Generalsekretär der muslimischen Intellektuellenvereinigung ICMI ist nun dabei – was besonders jene Indonesier nervös macht, die sich vor einem wachsenden politischen Einfluß des Islam fürchten. Bis vor kurzem war Habibie, der seinen Aufstieg der Protektion Suhartos verdankt und seinen Mentor in der Vergangenheit niemals kritisierte, selbst Chef dieser Organisation.
Für die Oppositionellen, die sich mit dem Sturz Suhartos zugleich einen neuen, demokratischen Aufbruch erhofft haben, ist die Regierungsmannschaft enttäuschend. Von freien Wahlen oder Freilassung der politischen Gefangenen sagte Habibie kein Wort. Der bekannte Ökonom Syarhir glaubte daher hinter der jüngsten politischen Entwicklung die Hand eines großen Puppenspielers zu entdecken: des gerade zurückgetretenen Suharto. Jutta Lietsch, Jakarta
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