Analyse: Saarländer Hürde
■ Saarlands Gerichtshof hält an kommunaler Fünfprozenthürde fest
Auch bei den kommenden Kommunalwahlen im Saarland wird die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) wohl wieder nicht in die Gemeinderäte einziehen. Denn der Verfassungsgerichtshof des kleinsten aller Bundesländer lehnte gestern eine Klage der Partei gegen die Fünfprozentklausel auf kommunaler Ebene ab. Die Entscheidung fiel knapp aus. Im achtköpfigen Richtergremium herrschte Stimmengleichheit, was automatisch als Ablehnung gewertet wird. In seiner Begründung erklärte das Gericht, die Sperrklausel sei gerechtfertigt, weil so eine Zersplitterung der Gemeinderäte verhindert und deren Funktionsfähigkeit aufrechterhalten werde.
Was im Saarland Bestand hat, wurde allerdings in Berlin vor eineinhalb Jahren mit genau entgegengesetzter Argumentation gekippt. Dort gab das Verfassungsgericht dem Antrag der rechtsextremen „Republikaner“ und einer Gruppe von FDP-Politikern statt und erklärte die Fünfprozenthürde schlichtweg für überholt. Anders als die Richter in Saarbrücken sahen sie keine Gefährdung der Funktionsfähigkeit durch den Einzug kleinerer Parteien in die Bezirksverordnetenversammlungen (BVVs) – wohl auch, weil die BVVs nur eingeschränkte Rechte im Stadtstaat Berlin haben. Allerdings fiel das Votum mit fünf gegen vier Stimmen knapp aus. Im kommenden Jahr dürften also in Berlin die „Republikaner“ ebenso in Bezirksparlamente einziehen wie die Spaßtruppe „Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum (KPD/RZ)“. Sie wurde zuletzt in ihrem Bezirk Kreuzberg mit 4,6 Prozent nur knapp am Einüben parlamentarischer Grundkenntnisse gehindert.
Berlin ist nicht allein. Baden-Württemberg und Bayern kennen keine kommunale Sperrklausel. In Bayern kann der Wähler durch Panaschieren und Kumulieren gar ihm sympathische Kandidaten ganz nach vorne wählen – eines der demokratischsten und auch kompliziertesten Wahlverfahren überhaupt. Auch Niedersachsen und die Mehrheit der Ostländer haben keine kommunalen Hürden, Rheinland-Pfalz verlangt den Sprung über die 3,3 Prozent.
Mit seinem Beharrungsvermögen kann sich das Saarland auf das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen stützen. Der dortige Landtag bestätigte in diesem Jahr bei der Novellierung des Kommunalwahlrechts noch einmal die Fünfprozentklausel. Hauptbegründung auch dort: Es gelte die Funktionsfähigkeit der Räte zu sichern. Die ÖDP blickt nun zum Bundesverfassungsgericht. Weil Schleswig- Holstein kein eigenes Landesverfassungsgericht hat, mußte es notgedrungen eine Klage der ÖDP gegen die Sperrklausel nach Karlsruhe abgeben. Das Urteil könnte durchaus Präzedenzwirkung haben. Severin Weiland
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