Analyse: Scheidung light
■ Justizminister: Standesämter sollen auch Scheidungen abwickeln
Auf dem Standesamt sollen Paare künftig nicht nur heiraten, sondern sich auch scheiden lassen dürfen. Das schlägt Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) vor. Sollte er in der nächsten Legislaturperiode noch am Ruder sein – was äußerst unwahrscheinlich ist –, will er einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten.
Bei dem Vorschlag geht es keinesfalls um eine „Scheidung light“ für alle getrennten Paare. Vielmehr soll die Trennung erleichtert werden für Ex-Partner, die sich ohne Anwaltskrieg einigen können. Schon heute überwiegten „einvernehmliche Scheidungen“, berichtet der Berliner Familienrechtsanwalt Claus-Dieter Marten. Aber auch friedliebende müssen sich einen Anwalt nehmen, um die Scheidung einzureichen. Und nur das Familiengericht darf die Scheidung aussprechen. Das kostet.
Bei einem gemeinsamen Haushaltseinkommen von 6.000 Mark netto im Monat beispielsweise werden heute fast 4.000 Mark an Anwalts- und Gerichtsgebühren für eine Scheidung fällig. Da nützt es nichts, wenn das Paar sich zuvor breits notariell beglaubigt über Unterhaltsansprüche und Zugewinnausgleich geeinigt hat und das Papier nur zum Rechtsanwalt trägt. Das Familiengericht muß tagen, und die Scheidungswilligen müssen in jedem Fall die Gebühren berappen.
Bei einer „Scheidung light“ vor dem Standesamt fielen der „Anwaltszwang“ und das Gerichtsurteil weg. Die Ex- Partner müßten sich zuvor allerdings ihre Übereinkunft zu Unterhaltsfragen notariell beglaubigen lassen, so ein Sprecher des Justizministeriums. Sorgerechtsfragen dürfen nicht angetastet werden. Nach der geltenden Regelung bleibt das gemeinsame Sorgerecht nach der Scheidung automatisch bestehen, es sei denn, einer der Partner beantragt Gegenteiliges. Bei Streit ums Sorgerecht wäre auch keine „Scheidung light“ möglich.
Mit dem neuen Schnellverfahren vor dem Standesamt will Schmidt-Jortzig die Gerichte entlasten. Schließlich sei die Justiz nur für „Konfliktfälle“ zuständig, betonte der Minister. Protest kam gestern von Bayerns Justizminister Hermann Leeb (CSU). Eine „Scheidung light“ entspreche nicht den bayerischen Vorstellungen von der Ehe, so Leeb.
Auch der Anwaltsverein meldete – wenig überraschend – seine Bedenken an. Der Deutsche Richterbund, aus dessen Reihen die Idee ursprünglich stammt, hat den Vorstoß des Ministers hingegen als „sehr diskussionswürdig“ bezeichnet.
Ob und vor allen von welchem neuen Justizminister dieser Vorschlag in der nächsten Legislaturperiode aufgegriffen wird, ist jedoch völlig offen. Barbara Dribbusch
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