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AnalyseNichts Neues

■ Die angebliche ARD-Reform von Udo Reiter ist gar keine

Eine Reform kann ja heutzutage so ziemlich alles sein – auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vor drei Jahren hatten die Unions-Regierungschefs von Bayern und Sachsen eine „Reform der ARD“ gefordert – und damit eigentlich eher deren Abschaffung in der heutigen Form befördern wollen. Dennoch fordern seither alle die Reform des größten nichtkommerziellen Medienkonglomerats der Welt – dessen Feinde in CDU und privaten Medienkonzernen genau wie die Sender selbst. Alle Länderministerpräsidenten zusammen verdonnerten beispielsweise die ARD dazu, ihre Mühen für eine „Strukturreform“ zu rapportieren – sonst gebe es zum Jahr 2000 kein Gebührenplus mehr. Doch über die Biedenkopf-Stoiberschen Abschrumpfungspläne ist die Diskussion dabei kaum hinausgekommen. Es geht nie darum, wie groß, wie gut und wie teuer man sich öffentlichen Rundfunk in den Zeiten der Medienkommerzialisierung wünscht – sondern allein darum, wo die ARD sparen muß.

Merkwürdig auch, daß bei all dem von den knapp 13 Milliarden Mark Gebühren, die ARD und ZDF jährlich verschlingen, stets jene 186 Millionen im Mittelpunkt stehen, die die großen ARD-Sender (WDR, NDR, BR und der neue SWR) an die kleinen (Radio Bremen, SR und SFB) überweisen. Wobei bislang keiner sagen kann, ob Kleinsender teurer sind als große – zu undurchsichtig wirtschaften sie alle. Den Finanzausgleich wollten Stoiber und Biedenkopf genau wie bei den Länderhaushalten abschaffen, und einige Senderchefs, wie Biedenkopfs Heimat-Indendant Udo Reiter (MDR), schlossen sich dem an. Seit Reiter ARD-Vorsitzender ist, geht es nun den kleinen Sendern an den Kragen. Reiter (dessen MDR gar nicht mitzahlt) fordert ein Ende der Alimente; Sender- und Länderchefs wie Oskar Lafontaine stöhnen.

Dabei ist die Kompromißlinie längst klar: Die Kleinen werden sich selbst weniger (z.B. Programme) leisten und bei gemeinsamen Projekten (z.B. „Tagesschau“) mitbezahlen, die Großen dürfen mehr bestimmen. Einige Große müßten kleine Nachbarn finanziell Huckepack nehmen (z.B. SWR den SR, der NDR Radio Bremen). Insofern wird die ARD immer mehr funktionieren wie richtiger Kapitalismus, aber sich gleichzeitig zusammenraufen – so, daß nicht das ganze System auseinanderplatzt. Und dessen Gegner könnten jederzeit darauf verweisen, daß es kurz vor dem Ende steht.

Das ganze Geschaukele um die 186 Millionen lenkt dabei wunderbar von der notwendigen Erneuerung des Systems ab, um die sich nicht die Politiker, sondern die Sender selbst (und deren Zuschauer) kümmern müßten. Da das nicht geschieht, brauchen die Abschaffer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gar nicht groß die Hand zu krümmen: Das System erledigt sich auf lange Sicht von selbst. Lutz Meier

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