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Archiv-Artikel

Analyse: CDU-NRW vor der Stichwahl Kommunalwahl II: Trial and Error

Am Sonntag entscheiden die Wahlberechtigten, welche politische Richtung die CDU-NRW einschlagen wird. Nicht nur die Union auf Bundesebene ist orientierungslos, auch die West-CDU hat keinen klaren Kurs: Brachial-radikale Reformen à la Friedrich Merz, „mitfühlender Konservativismus“ wie bei Jürgen Rüttgers oder aggressiver Joachim-Erwin-Populismus – die Konservativen an Rhein und Ruhr stehen für alles und nichts. Das Ergebnis der Stichwahlen um die Bürgermeister- und Landrats-Posten in 15 kreisfreien Städten, fünf Kreisen und 92 kreisangehörigen Gemeinden wird mitbestimmen, wohin die Reise der NRW-Christdemokraten geht.

Nach dem Prinzip von „Trial and Error“ tendieren Politiker dazu, Wahlsiegern nachzueifern. Auch wenn es „nur“ um die Städte und Gemeinden geht: Bei erfolgreichen Wahlkämpfern werden die Parteistrategen ab Sonntag abgucken. Und die Verlierer der NRW-Kommunalwahl, Teil II, ziehen automatisch auch ihre politischen Ideen mit herunter.

In drei großen Städten des Landes muss sich am Sonntag der progressivere Flügel der CDU-NRW behaupten. Während der Parteirechte Joachim Erwin in Düsseldorf im ersten Wahlgang triumphierte, drehen die Rathauschefs Oliver Wittke (Gelsenkirchen) und Wolfgang Reiniger (Essen) eine Ehrenrunde. Der 1999 überraschend gewählte Wittke hat in seiner Amtszeit keinen Durchbruch gegen die Rekordarbeitslosigkeit in seiner Stadt geschafft. Als OB der Ex-SPD-Hochburg Gelsenkirchen war Wittke dennoch der Musterknabe der „neuen CDU im Westen“. Arbeitnehmerfreundlich, ohne die typisch christdemokratischen Berührungsängste im Umgang mit „ausländischen Mitbürgern“, und dazu medial omnipräsent – eine Niederlage Wittkes gegen seinen SPD-Herausforderer Frank Baranowski wäre für den Modernisierungsprozess der CDU-NRW eine Katastrophe.

Wolfgang Reiniger muss in Essen nicht nur gewinnen, um das sich anbahnende Koalitionskonstrukt Schwarz-Grün zu retten. Der ebenfalls 1999 gewählte Verlegenheitskandidat repräsentiert den Anspruch der CDU, Großstadtpartei sein zu wollen. Zudem hat er mit dem Sieg bei der NRW-Vorauswahl zu Europas Kulturhauptstadt 2010 einen Erfolg vorzuweisen. Wenn die verfilzte Essener SPD den konsensorientierten Amtsinhaber schlägt, muss sich die CDU fragen, wo sie im Ruhrgebiet überhaupt noch Wahlen gewinnen kann.

Vielleicht in Duisburg? Hier steigt das dritte wichtige Duell. CDU-Arbeitnehmer Adolf Sauerland kämpft nicht nur gegen SPD-Amtsinhaberin Bärbel Zieling, sondern auch für die politische Mehrheitsfähigkeit des sozialen CDU-Flügels.

Wenn alle drei Symbol-Kandidaten scheitern, wäre das auch eine Niederlage für Jürgen Rüttgers. Umgekehrt könnte der CDU-Landeschef einen Erfolg progressiver Kandidaten bei seinen Bemühungen um ein sozialeres Image der Bundes-CDU gut gebrauchen. MARTIN TEIGELER