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An jedem Brautkleid hängt eine Geschichte. Hier kommt die von Inge und EduardBis dass der Tod uns scheidet

AM RAND

Klaus Irler

Der Mensch, das lernen Journalisten, interessiert sich für den Menschen. Deshalb schreiben sie oft darüber, wie der Schreibtisch eines Politikers aussieht oder welchen Kaffee ein Schauspieler beim Interview trinkt. Ich habe mich kürzlich auch mal wieder journalistisch für einen Menschen interessiert, aber es war kein Politiker oder Schauspieler, sondern eine alte Dame.

Die Dame hatte einen Zettel mit einem Verkaufsangebot ans schwarze Brett eines Niendorfer Supermarkts gehängt. „Brautkleid Farbe weiß-crem (sic!) mit etwas Zubehör sehr alt von ca. 1955 zu verkaufen“, stand da in der Handschrift eines alten Menschen.

Der Aushang beschäftigte mich. Ich fragte mich, was passiert sein mag, dass ein Brautkleid nach 60 Jahren vertickt wird. Ein Brautkleid, so dachte ich, verkauft man entweder gleich nach der Hochzeit oder man behält es ein Leben lang. Ich wollte wissen, was die Geschichte dieses Kleides war – und besuchte die alte Dame.

Die Dame hatte große Teile ihres Häuschens mit Gerümpel zugestellt. Das Kleid, sagte sie, gehöre gar nicht ihr. Stattdessen gehörte es einer verstorbenen Frau, deren Haushalt die alte Dame gerade aufzulösen versuchte. Sie tat das, weil von der Familie nur noch ein Sohn übrig war, der auf den Philippinen lebt. Immerhin hatte die alte Dame diverse Glückwunsch-Karten zum Brautkleid. Auf diese Weise kam ich doch noch zu meiner Geschichte.

Und die geht so: Inge heiratete Eduard am 12. August 1960. Ihr Hochzeitskleid war auf eine rührend Art einfach gehalten, selbst genäht, mit weißen Sternchen und Tüll. Wer Inge und Eduard waren, das erzählt ein Gedicht, das in einer der Glückwunsch-Karten aufgeschrieben war. Über Inge steht da:

„Sie kann gut stricken / sie mag gern lesen. / Sie ist fleißig / und hat ein nettes Wesen. / Sie hat auch ansonsten was einen Mann / wohl recht zufrieden stellen kann. / Denn das Kochen hat sie oftmals erprobt / sie wurde schon häufig deshalb gelobt. / Und das scheint uns wichtig / man kann es wohl sagen / weil beim Manne die Liebe / oft geht durch den Magen.“

Über Eduard heißt es: „Er ist ein sympathischer, stattlicher Mann / wie ihn sich ein Mädchen wohl wünschen kann. / Er fährt seine Inge schon morgens aus / und chauffiert sie abends galant nach Haus. / Bei der Legha im Lager da wuracht er doll / da stapelt er die Regale voll. / Zwei Hobbys hat er / wurde uns anvertraut / das erste: der Fußball / das zweite: die Braut.“

Inge und Eduard gingen an diesem Tag also eine Verbindung ein, die für Inge viel mit Kochen zu tun hatte und für Eduard den Rang eines nachgeordneten Hobbys einnahm. Ich weiß nicht, wie tragfähig dieses Konzept war, denn meine Recherche endet hier. Aber so ist das immer im großen Kino: Zwei finden sich und dann ist der Film zu Ende. Obwohl die Geschichte eigentlich erst anfängt.

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