piwik no script img

Amy Winehouse auf der BühneExpressives Augenrollen

Rock 'n' Roll-Gesamtkunstwerk Amy Winehouse spielte in Berlin: Motown-Souliges im Bordell-Ambiente. Perfekt toupiert und inszeniert. Und viel zu kurz.

Amy im August. Auf den Fotovertrag für ihr Berlin-Konzert hatte sich nur ein Fotograf eingelassen. Aber wir verraten: Das Haar war hoch, ihr Kleid war rot. Bild: ap

Ein Boulevardblatt hatte sie am Abend zuvor in der örtlichen Filiale eines weltbekannten Burger-Imbisses gesichtet: Amy in town! Das war beruhigend, denn man hatte sich ja schon gefragt, ob sie überhaupt anreisen würde. Schließlich hatte sie ihre Europatournee schon auf den Oktober verschoben und war im Sommer wegen angeblicher Drogen- und Alkoholexzesse ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Als Amy Winehouse am Montag auf die Bühne des Berliner Tempodroms trat, nahm sie erst einmal einen kräftigen Schluck von einem Getränk, das aus der Entfernung nach Whisky-Cola aussah. Altmodische Stehlampen tauchten die Bühne in ein schummriges Licht, auf der sich ihre neunköpfige Begleitband postierte. Diese Puffbeleuchtung und ein schwerer weinroter Samtvorhang beschworen das Ambiente eines Fünfzigerjahre-Bordells, was gut ins Gesamtkunstwerk Amy Winehouse passte, deren Arme ja mit Pin-up-Girl-Tattoos übersät sind.

Schon immer wirkte sie damit wie eine suizidgefährdete Figur aus einem David-Lynch-Film wie "Wild at Heart". Dieser Rolle scheint sie auch im richtigen Leben gerecht werden zu wollen, denn niemand verkörpert das sex&drugs&rocknroll-Klischee derzeit so glaubwürdig wie Amy Winehouse. Im Gegensatz zu ähnlich exzessiven Kollegen wie Robin Williams, Pete Doherty oder Britney Spears steht sie derzeit allerdings auch noch auf ihrem künstlerischen Höhepunkt.

Ihr Album "Back to Black" dürfte schon jetzt so etwas wie die Konsensplatte des Jahres sein. Wer in diesem Jahr eine CD verschenken wollte, konnte getrost dazu greifen, so geschmackssicher war diese Produktion mit ihren Anklängen an den Motown-Sound und die frühen Girlgroups des Soul geraten. Diese Genre-Vorbilder paart Amy Winehouse mit unverblümten Texten voll britischem Straßenslang, in ihrer Dramatik erinnert sie stark an Shirley Bassey - kein Wunder, dass sie für den Titelsong des nächsten James-Bond-Films im Gespräch war.

Für ihren Auftritt in Berlin hatte sie sich als Verstärkung nun zwei ausdrucksstarke Background-Sänger und -tänzer zur Seite gestellt, die in ihren gut sitzenden Anzügen für Bühnenbewegung sorgten. Amy Winehouse selbst beschränkte sich auf kurze Ansagen, Augenrollen und eine leicht derangierte Gestik. Eher routiniert trug sie ihr Repertoire vor, das sie um Songs wie "That thing" von Lauryn Hill oder den Ska-Hit "Youre wondering now" von den Specials ergänzte. Dann, nach kaum einer Stunde, war plötzlich Schluss. So ähnelte ihr Auftritt eher einem showcase, wie man solche Kurzauftritte auf Festivals und Musikmessen gemeinhin nennt. Auch war nur ein einziger Fotograf zugelassen, der sich den strengen Auflagen ihres Managements fügen musste. Über die Hintergründe darf man nun weiter spekulieren: Ists der angegriffene Gesundheitszustand? Strategische Verknappung? Oder sind es nur Star-Allüren?

Mag sein, dass der 24-Jährigen die Dinge ein wenig über den Kopf gewachsen sind. Aber es ist ja auch eine Menge passiert in diesem Jahr. Neben den abgesagten oder missratenen Auftritten, den Abstürzen und Schlägereien, mit denen sie fast täglich die Klatschspalten der britischen Presse füllte - zuletzt war von Magersucht die Rede -, heiratete sie im Mai ihren Freund und heimste ansonsten einen britischen Musikpreis nach dem anderen ein. Ihre Eskapaden verleihen ihrer Musik eine lebensnahe, geradezu existenzielle Note. Bei diesen Geschichten verhält es sich allerdings wie mit ihrer hochtoupierten Turmfrisur, die teilweise aus Kunsthaar besteht: Reales Drama und Inszenierung sind unentwirrbar verknäult.

Nun muss sie halt ihre Kurztour durch Deutschland herunterreißen, bevor sie wieder ins Studio geht, um ein neues Album aufzunehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • C
    Chantal

    Ich habe das Konzert in Hamburg gesehen und kann diesem Artikel echt nicht zustimmen!Vielleicht war sie Hamburg ein wenig besser drauf sie hatte auch ihr "ColaWhisky"-Glas, hat einmal den Text von einem Song vergessen und wie ne Irre an ihrem Kleid gezupft, jedoch hat sich das Konzert gelohnt und sie hat zu 100% überzeugt mit ihrer Stimme...Traurig dass sie das Alles zugrunde richtet denn sie hat soooviel Potenzial! Meiner Meinung nach hat es sich gelohnt zu ihrem Konzert zu gehen! Würde ich auch wieder tun. Schade nur dass sie nichts aus ihrem ersten Album gespielt hat.

  • SH
    sven haase

    ein artikel über amy von d.b. - schön. doch dann: pete doherty in einer reihe mit britney & robby, vgl. spiegel faz bild gmxnews etc. dazu die mähr vom überschrittenen karrierehöhepunkt gähn. schon mal nen blick aufs cover von "delivery" geworfen, schon mitgekriegt, daß die babyshambles ein neues album gemacht haben? mensch d.b., fast schon j.b.k. style dein artikel. schade.

  • JK
    Justyna Krzyzaniak

    Es ist schon peinlich genug, aus einer gewissen Entfernung heraus erahnen zu wollen, was sich für ein Drink im Becher der Sängerin befindet; viel schlimmer ist es jedoch Robin und Robbie Williams zu verwechseln, oder nicht zu wissen, dass die beiden Backgroundsänger fester Bestandteil der Amy Winehouse Band sind seit sie back to black aufgenommen hat. Vielleicht sollte man auch vorsichtig sein, die Sängerin in irgendwelche David Lynch Filme hineinmontieren zu wollen nur eines effektvollen Klischees wegen.(ich mag sowohl Lynch als auch Winehouse, so ist es ja nicht).

    Ach, a propos Klatschpresse, vielleicht war dieser Artikel nicht allzu weit von ihr entfernt...

    Justyna

  • T
    tristan

    Oh taz, hör auf, Konzertkritiken zu schreiben. Das Drama, dass sich Montag Abend im Tempodrom um Amy Winehouse abspielte, so banal und klischeetrunken zu beschreiben, ist grotesk. Was ich gesehen habe, war eine blutjunge Künstlerin, die am Abgrund steht, die jede Minute drohte, umzukippen und auf der Bühne tot umzufallen. Und was ich gehört habe, war eine der beseeltesten Stimmen, die derzeit im Pop existiert. Und die dessen eiskalte Manager eventuell gerade zugrunde richten, wenn sie weiterhin, genau wie in diesem Artikel die ganze Größe und die ganze Krankheit des Phänomens Winehouse als glamourös verdrogtes Startum verkaufen. Hilfe!

     

    PS: Doherty ist eine Null gegen Amy.

  • D
    Denniso

    Ich gehe doch stark davon aus, dass Herr Robbie Williams gemeint ist. Und ob Pete Doherty sich nicht auch grad (mal wieder) auf einem Karrierehöhepunkt befindet, sollte man anlässlich der hervorragenden Babyshambles-LP zumindest diskutieren dürfen.

  • KW
    Katharina W.

    Handelt es sich beim benannten Robin Williams vielleicht um Robbie Williams? Dieser würde als Sänger mit Drogen-Problemen nämlich besser in die Liste passen als der Mrs. Doubtfire Schauspieler Robin Williams.

  • LH
    Lilli Hunter

    "von einem Getraenk, das aus der Entfernung wie Whisky-Cola aussah" ?!!

     

    Also bitte, wie erkennt man denn den Unterschied zwischen Cola und Whisky-Cola aus der Entfernung? Meine lieben TAZ-Experten, dieser Artikel ist nicht nur aus der Entfernung total in die Hose gegangen...

     

    Beste Gruesse.

  • I
    Ivo

    wow, Amy sollte glücklich sein über diesen Artikel. Ich war dort, habe sie mir 20 Min. angesehen und habe dann beschlossen, zu gehen. Eine besoffene oder zugedröhnte kann ich mir auch am Bahnhof Zoo anschauen, der singt im zweifel besser und vorallem brauche ich keine 1,5 Stunden warten, geschweige denn ? 40,- für 'ne Karte ausgeben. Sie wurde vermutlich auf der Bühne geschickt damit der Veranstalter die Kartengebühr nicht zurückzahlen braucht, es war echt unverschämt und unverantwortlich traurig.