Amokläufer von Ansbach: Mordpläne auf dem Rechner
Hass auf die Schule, Zukunftsangst und der Wunsch nach einer Freundin: Ein 80-Seiten-Dokument gibt Aufschluss über Motive des Amokläufers. Er ist aus dem Koma erwacht.
BERLIN tazDer Amoktäter von Ansbach hatte seine Tat schon länger geplant. Auf dem Computer des 18-jährigen Georg R. sei ein Dokument gefunden worden, in dem in Einträgen vom April 2009 bereits von einem geplanten Amoklauf die Rede war, sagte Staatsanwalt Jürgen Krach am Montag bei einer Pressekonferenz. In dem 80-seitigen Text habe er außerdem genau aufgeführt, welche Waffen er verwenden und welche Klassenzimmer er stürmen wolle. Auch die Tatzeit hatte er festgelegt.
Der 18-Jährige verübte vergangenen Donnerstag, bewaffnet mit fünf Brandsätzen, vier Messern und einem Beil, einen Anschlag auf seine Schule in Ansbach. Einen Lehrer und neun Schüler verletzte er teils schwer, ehe ihn die Polizei mit fünf Schüssen stoppen konnte.
Als Tatmotiv nannte Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger "Hass auf die Menschheit und vor allem auf die Institution Schule". Er fühlte sich demnach ungerecht behandelt, ausgegrenzt und nicht anerkannt. Zudem habe er in den gefundenen Texten die Angst geäußert, zu erkranken, sein Abitur nicht zu bestehen und damit keine Zukunft zu haben. Diese Ängste seien aus bisheriger Sicht allerdings unbegründet gewesen, sagte Lehnberger. Außerdem äußerte er den Wunsch nach einer festen Freundin.
Der 80 Seiten lange Text sei "eine Art Monolog an eine fiktive Gesprächspartnerin", erklärte die Oberstaatsanwältin. Darin schildere er sein Ziel, möglichst viele Schüler und Lehrer zu töten. Er habe zudem für die Tat "konkrete Suizidvorkehrungen" getroffen und einkalkuliert, von der Polizei getötet zu werden.
Vier Tage nach seiner Tat ist Georg R. aus dem künstlichen Koma erwacht. Dies teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Ansbach am Montag mit. Der 18-Jährige habe aber noch nicht vernommen werden können. Auch der Haftbefehl konnte ihm noch nicht eröffnet werden. Von der Vernehmung des Gymnasiasten erhoffen sich die Ermittler weitere Hinweise auf das Motiv seines Amoklaufs.
Gewaltvideos und Killerspiele seien bei dem Täter nicht gefunden worden, versicherte Oberstaatsanwältin Lehnberger. Der Amoklauf von Winnenden im März dieses Jahres hatte eine Debatte um ein Verbot von gewalttätigen Videospielen ausgelöst.
Nach dem jüngsten Amoklauf fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft nun ein flächendeckendes Frühwarnsystem. "Die schreckliche Tat belegt leider einmal mehr, dass Deutschlands Schulen keine sicheren Orte sind", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.
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