piwik no script img

Amnesty International Bericht 2008China führt bei Todesstrafe

In keinem anderen Land werden so viele Menschen hingerichtet wie in der Volksrepublik. Amnesty spricht von 1.718 Exekutionen im vergangenen Jahr, doch vermutlich waren es wesentlich mehr.

Mit den Porträts von in China politisch Verfolgten demonstrieren Amnesty International-Aktivisten beim Aktionstag "Gold für Menschenrechte" am 13.07.2008 in Berlin. Bild: dpa

PEKING taz Wie viele Menschen in China jährlich hingerichtet werden, bleibt ein Staatsgeheimnis. Amnesty International zählte im vorigen Jahr mindestens 1.718 Exekutionen. Damit stand die Volksrepublik wieder an der Spitze der Schreckensliste. Sie war "für über 70 Prozent aller weltweiten Hinrichtungen verantwortlich, die Dunkelziffer lag vermutlich um ein Vielfaches höher", wie die Menschenrechtsorganisation berichtet. Sie wertet alle zugänglichen Dokumente und Zeitungsartikel aus, um der Wahrheit über die Todesurteile in chinesischen Provinzen und Städten auf die Spur zu kommen.

Insgesamt registrierte Amnesty 2.390 Exekutionen in 25 Staaten. Chinesische Funktionäre begründen die Todesstrafe gewöhnlich damit, dass die chinesische Bevölkerung nach Vergeltung rufe und es "nicht verstehen" würde, wenn Mörder oder andere Schwerverbrecher mit dem Leben davonkommen. Ein anderer möglicher Grund: Chinesische Krankenhäuser beziehen von Hingerichteten den größten Teil der Organe für Transplantationen.

Als sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen im vergangenen Herbst für ein weltweites Moratorium der Todesstrafe aussprach, lehnte die chinesische Regierung dies ab - ebenso wie die USA, der Iran, Nordkorea und der Sudan. In den vergangenen Jahren waren allerdings immer wieder dramatische Fälle von Justizirrtümern bekannt geworden, die zu erhitzten Debatten über die Todesstrafe in der Bevölkerung führten. Chinesische Juristen beklagten, dass viele Angeklagte zum Tode verurteilt wurden, weil die Polizei ihnen ein Geständnis mit Folter abpresste.

Seit Anfang 2007 müssen alle Todesurteile, die in den Provinzen verhängt werden, von einer neue Kammer des Obersten Gerichtshofes in Peking überprüft werden. Die Richter lesen jedoch nur die Akten, Zeugen und Angeklagte werden nicht gehört. Die Kontrolle durch die Hauptstadtjuristen habe gleichwohl dazu geführt, dass "weniger und vorsichtiger" hingerichtet werde, gaben die Justizbehörden im vergangenen Jahr bekannt. In der ersten Hälfte 2008 seien 15 Prozent aller Todesurteile von Peking an die Provinzgerichte zurückverwiesen worden. Unklar blieb allerdings, wie hoch die absolute Zahl war, und wie viele davon später bestätigt wurden.

68 Delikte - darunter auch gewaltlose Straftaten wie Steuerhinterziehung - können in China mit dem Tode bestraft werden. Die angesehene Menschenrechtsorganisation Duihua in San Francisco schätzt, dass 2007 rund 5.000 bis 6.000 Menschen in China hingerichtet wurden.

Exekutiert wird in der Regel durch einen Schuss in den Hinterkopf oder - immer häufiger - durch die Giftspritze. Die Südwestprovinz Yunnan hatte Erschießungen bereits 2003 beendet. "Die tödliche Injektionen verringert den Schmerz und die Furcht der Verurteilten", zitierten Chinas Zeitungen einen Rechtsprofessor, Mou Ruijin. "Das ist für sie eine humanere Art zu sterben."

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • A
    anke

    Kann man den Tod als Strafe betrachten? Ich glaube nicht.

     

    Die Strafe, behauptet das Lexikon, sei eine Form der Aggression, die nur deswegen toleriert wird, weil man sie heutzutage begründen muss. Als Gründe werden genannt: die Erziehung zum Besseren, die Abschreckung, der Schutz der Gesellschaft vor der Wiederholung einer Tat und die Sühne. Und was bedeutet das nun für das Todesurteil?

     

    Dass ein Mensch sich nach seiner Hinrichtung noch gebessert hätte, ist zumindest nicht zu beweisen. Dass die Abschreckung Dritter das Unschulds-Prinzip (Strafe allein den, der gefehlt hat) negiert, steht ebenso fest wie die Tatsache, dass damit quasi ungeschehene Straftaten geahndet werden, wofür es nirgendwo auf der Welt eine Rechtsgrundlage gibt. Dass sich eine Gesellschaft auch durch das Wegsperren von Straftätern schützen kann, bezweifelt kaum jemand, und dass Resozialisierung besser hilft, ist zumindest sehr wahrscheinlich. Schließlich: dass es Sühne nur in Form des Tausches Auge um Auge gibt, kann schon seit 2000 Jahren niemand mehr ernsthaft behaupten. Was also bleibt übrig von der Todes-Strafe? Eine nicht zu begründende Aggression.

     

    Übrigens: Dass in der Bundesrepublik Deutschland die letzte Hinrichtung 1949 stattgefunden hätte, kann ich nicht erkennen. Auch heute noch setzen Polizisten ihre Schusswaffe mit tödlichem Ausgang ein. Tankstellen-Räuber, illegale Immigranten und mitunter sogar harmlose Wanderfreunde werden allein dafür mit dem Tod "bestraft", dass sie unseren Gesetzeshütern Angst gemacht haben. Ein begründeter Schuldspruch (Urteil) gegen die "Täter" ergeht in dem Zusammenhang allerdings nie.

  • S
    Sunny

    Hallo Taz, hallo Amnesty, das ist doch billig.

     

    Auf die Bevölkerungszahl umgerechnet ist Saudi-Arabien Tabellenführer und China rangiert irgendwo kurz vor Amerika. Wirklich übel, wenn man gegen eine schlimme Sache wie die Todesstrafe mit schmutzigen Statistiktricks agiert.

     

    Ihr bringt mich in eine arge Zwickmühle: ich muss gegen jemanden sein, der gegen die Todesstrafe ist.