: American Pieta
■ Eine Versöhnungsgabe an die Navajos von Ludwig, dem fahrenden Bildhauer
hierhin bitte
den langhaarigen
Mann
Ludwig Schumacher
Manch einer wird sich an den Holzbildhauer Ludwig Schumacher erinnern, an seine Pferdewagen bei der Mahnwache gegen den Golfkrieg, an die Hunde und Ziegen.
Schumachers „Weg“ begann 1979, mit den Atomwaffen-Stationierungsplänen der BRD. Haus und Hof, Weib und Kinder ließ er hinter sich, um fortan zu Fuß die Lande zu durchqueren. Seine Wanderung begleitet der Plan einer völkerverbindenden Trilogie. In den ersten sieben Jahren, die einen „Sühnewinter“ in Dachau einschlossen, entstand die Figur „Europa-Vertreibung“. Sie reflektiert Schumachers Erfahrung der Ost-West-Teilung.
Nun führte ihn der Weg wieder zu den Navajos bei Safford/Arizona, wo er vor zwei Jahren bei Tag, und nachts bei Kerzenschein, die „Amerika-Pieta“ geschaffen hatte. Auf dem Mount Graham, dem heiligen Berg der Apachen, hatte Schumacher den richtigen Baum für sein Werk „erkannt“. Es handelt sich dabei um einen mehr als vier Meter hohen Wacholder, wohl gut und gerne fünfhundert Jahre alt und deshalb sozusagen zur Zeit der ersten Eindringlinge um Kolumbus aufgewachsen. Die Skulptur verbindet das christliche Erlösungsmotiv mit dem Martyrium der Indianer: Ein Gemarterter gleitet von einer Tipi-Plane herab und wird von einer schmerzgebeugten Indianerin (Maria) und zwei Helfern (Joseph und Nicodemus) empfangen und vorm Fall bewahrt.
Als „Gabe an die wahren Amerikaner“ hat Schumacher sein Werk den den Navajos angeboten. Jetzt, anläßlich des 500. Eroberungsjahres, konnte er die Skulptur selber übergeben. Und die Franziskaner von St. Michael nahe Stafford werden helfen, das Werk unterzubringen. Nach hinlänglicher theologischer Prüfung haben sich die Franziskaner, deren Ordensbrüder an Bord des Conquistadoren Cortez ins Land eingedrungen waren, freimütig zur Unterstützung dieser Versöhnungsgeste bereit erklärt. Allerdings bedurfte das stark ausgeprägte Geschlecht des Gemarterten einer eigenen theologischen Rechtfertigung, die in der „männlichen Stärke Jesu, das Opfer auf sich zu nehmen“, gefunden wurde.
Die Franziskaner bauen jetzt der „Amerika-Pi–eta“, die nach ihrem Wunsch den Nebentitel „Erlösung der Menschheit“ trägt, eigens eine Kapelle, die den Lebensgewohnheiten und Traditionen der Indianer entsprechend ausgestattet und mit Solarenergie versorgt werden soll. Ludwig Schumacher hat sich unterdessen nach Alaska aufgemacht. Er will die Beringstraße überqueren, um bei Moskau seine Trilogie abzuschließen, mit der „Schöpfungsgeschichte“. W.P.
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