American Pie: Eis in der Sonne
■ Weitere Städte des Südens hoffen auf einen Platz in der Eishockeyliga NHL
A long long time ago
Als das neue NHL-Team Tampa Bay Lightning vor einigen Jahren eines seiner ersten Spiele im sonnigen Süden absolvierte, geschah es, daß ein Fan in alter Eishockeytradition seinen Hut auf die Eisfläche schleuderte, nachdem ein Spieler einen Hattrick erzielt hatte. Er wurde umgehend aus der Halle gewiesen. „Der einzige Typ im Gebäude, der sich mit Eishockey auskannte“, schämt sich Klub-Vizepräsident Gerry Helper noch heute, „und wir haben ihn rausgeschmissen.“ Inzwischen würde solch ein Lapsus in Florida ebensowenig passieren wie in Arizona, Texas oder Kalifornien. Spätestens seit die Florida Panthers im Finale um den Stanley Cup standen, hat sich Eishockey auch im „Sun Belt“ etabliert.
Von den fünf Teams, die in den letzten zehn Jahren in die NHL aufgenommen wurden, kam mit den Ottawa Senators nur eines aus dem Norden. Der Rest – die Anaheim Mighty Ducks, die San Jose Sharks und die beiden Klubs aus Florida – wurden in Gegenden angesiedelt, wo die frostige Substanz Eis bis dahin lediglich aus dem Whisky- oder Colaglas bekannt war. Hinzu kamen die Umzüge der Winnipeg Jets nach Phoenix, der Minnesota North Stars nach Dallas und der Quebec Nordiques nach Denver.
Die Versüdlichung der NHL ist damit aber keineswegs beendet. Eine neue Expansion der Liga steht auf dem Programm, und Anfang dieser Woche präsentierten sich elf Bewerber aus neun Städten bei Commissioner Gary Bettman in New York. Bis zum Jahre 2000 wird sich die NHL voraussichtlich von 26 auf 30 Teams vergrößern.
Gefragt sind vor allem neue Fernsehmärkte. „Wir müssen eine elektronische Decke um Nordamerika legen“, sagt Howard Baldwin, Besitzer der Pittsburgh Penguins, und so werden die besten Chancen Atlanta und Houston eingeräumt. Die Olympiastadt verfügt über den zehntgrößten TV-Markt des Landes, und Medienmagnat Ted Turner, der sich zu seinen Braves (Baseball) und Hawks (Basketball) gern noch ein NHL-Team leisten möchte, kann die Kriterien der Ligabosse mühelos erfüllen: mindestens 75 Millionen Dollar Aufnahmegebühr, 12.000 verkaufte Saisonkarten und zufriedenstellende Einschaltquoten.
Seit Bettman 1993 sein Amt antrat, hat die NHL, lange Zeit das schwarze Schaf der nordamerikanischen Profiligen, mächtig zugelegt. Die Einnahmen aus Sponsorverträgen stiegen von 15 auf 120 Millionen Dollar, die Ratings sind zwar mit 2,1 Prozent der Haushalte erheblich geringer als etwa beim Football (11,3), aber dafür ist der Anteil jugendlicher Zuschauer, von der Werbung sehr begehrt, wesentlich größer. „Wenn du dir die vier großen Sportarten anschaust“, sagt Craig Leipold, Finanzier der Bewerbung Nashvilles, „hat Eishockey das größe Potential.“
Während Nashville mit seiner gerade fertiggestellten neuen Halle für 20.000 Zuschauer lockt, wetteifern in Houston, elftgrößter Fernsehmarkt des Landes, gleich drei Konsortien um das Privileg, ein zweites NHL-Team in Texas aufbauen zu dürfen. Die anderen Bewerber – Minneapolis-St. Paul; Oklahoma City; Columbus, Ohio; Hampton Roads, Virginia; Raleigh, North Carolina und Hamilton, Ontario, der einzige kanadische Bewerber – hoffen vor allem auf den Faktor, daß sie die einzige Profisport- Franchise in ihrer Stadt wären.
Die Expansion soll nicht zuletzt die Grundlage für einen wesentlich besseren Fernsehvertrag bieten, und Gary Bettman ist natürlich hochzufrieden über die große Resonanz: „Unsere elf Bewerbungen zeigen, daß, ob im Norden oder Süden, ob warm oder kalt, ein nationales Interesse am Eishockey besteht.“ Matti Lieske
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