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American PieAusgerechnet Alaska

■ Die große Hatz der Schlittenhunde

When I read about his widowed bride

In der Mitte des längsten Schlittenhundrennens der Welt hatte Jeff King noch alle Trümpfe in der Hand. Behend hetzte sein Hundegespann durchs frostige Alaska, und als Erster erreichte der Vorjahressieger die Goldrausch-Geisterstadt Iditarod, die dem 1.100 Meilen langen Wettlauf von Anchorage nach Nome den Namen gab. Dafür bekam er Nuggets im Wert von 3.000 Dollar. Am Yukon, wo dem Spitzenreiter ein Gourmetessen mit sieben Gängen winkte, war es mit Kings Hoffnungen jedoch schon vorbei. Eine Erkältung hatte den Favoriten geschwächt, zudem wurde er ein Opfer des regen Medieninteresses am 25. Iditarod-Race. Die Fragen der Reporter, wie er es denn anstellen wolle, den an ihm vorbeigezogenen Martin Buser noch einzuholen, hätten ihn ganz irre an seiner Strategie gemacht, klagte King.

Buser war es, der in Anvik am Yukon den Feinschmecker spielen durfte. Beim Verzehr von Hummerbiskuit, New York Steak, Thunfischparfait und Wildbeerensorbet ließ sich der Mann aus Big Lake auch nicht davon stören, daß Doug Swinley mit seinem Gespann vorbeirauschte. Freundlich lud er den Konkurrenten zum Festmahl ein, doch der lehnte ab und sauste davon. Dies half ihm nicht viel, denn jeder Teilnehmer mußte noch eine Pflichtpause von acht Stunden einlegen, die Buser logischerweise in Anvik nahm. Als Swinley rastete, wurde er von dem wohlgenährten Rivalen und seinen elf Huskies wieder überholt, und am Montag hatte Buser, der auf dem Iditarod-Trail schon zweimal gewann, nach Überquerung des buckligen Eises der Beringsee satte drei Stunden Vorsprung. Spätestens heute müßte er als Sieger in Nome eintreffen.

53 Gespanne waren am 1. März in Anchorage an den Start gegangen, 47 am Montag noch im Rennen. Nicht mehr dabei war Linda Joy, eine 42jährige Großmutter, die in diesem Jahr ebensoviel Pech hatte wie 1996. Damals wurde sie gegen eine Fichte katapultiert und mußte mit blaugeschwollenem Auge und lädiertem Knie aufgeben. Diesmal zog sie sich, als ihr Schlitten schleuderte, tiefe Schnitte an zwei Fingern zu. Heftig blutend und mit einem Schock kam sie ins Örtchen Rainy, wo die Wunden mit 50 Stichen genäht wurden. „Wenn ich diese Sache noch einmal mache, weiß ich wenigstens, wie man sie mit einer Hand, einem Auge, einem Knie und einem halben Hirn erledigt. Ich werde meinen Namen in Linda Misery ändern“, sagte sie.

Von Anfang an herrschte in diesem Jahr exzellentes Wetter, das hohes Tempo zuließ. Und wenn einmal eisiger Gegenwind herrschte, ließ sich zumindest Martin Buser auch davon nicht beirren. „Wind? Was für ein Wind?“ fragte er nach einer Tagestour auf dem gefrorenen Yukon. „Ich war den ganzen Tag in Hawaii.“ Matti Lieske

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