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American PieNie mehr Fischsuppe

■ Nach langem Streik hat Eishockeystar Pavel Bure eine neue Heimat in Florida gefunden

Where I'd heard the music years before

Wenn am kommenden Sonntag beim All Star Game in Tampa die internationalen Stars der Eishockeyliga NHL gegen die amerikanischen Cracks antreten, wird der beste Stürmer der Liga in der Weltauswahl fehlen. Der Grund ist einfach: Pavel Bure hat in dieser Saison bisher kein einziges Match bestritten. Nicht etwa, weil der Russe verletzt oder anderweitig unpäßlich gewesen wäre, sondern weil er sich wegen eines Zerwürfnisses mit der Klubführung schlicht weigerte, noch einmal im Trikot der Vancouver Canucks aufzulaufen. Seit Saisonbeginn Anfang Oktober weilte er daheim in Moskau, wo er sich bei seinem alten Verein ZSKA fit hielt, aber natürlich keine Matches bestreiten durfte. „Das ist verdammt hart“, sagt der Stürmer, „Tag für Tag zum Training gehen, aber keine Spiele.“

Dieser Zustand ändert sich voraussichtlich heute. Überraschend transferierten die Canucks Pavel Bure am Wochenbeginn zu den Florida Panthers. Gestern flog er nach New York, und wenn er den Flug gut verkraftet hat, wird er dort bereits heute gegen die New York Islanders und morgen gegen die Rangers auf dem Eis stehen. Für die Panthers ist der Neuzugang der reinste Segen. Nur acht Teams haben in dieser Saison weniger Tore erzielt, und obwohl die Mannschaft aus Miami 1996 im Finale um den Stanley Cup stand, wo sie gegen Colorado Avalanche verlor, hat in der sechsjährigen Klubgeschichte kein Stürmer mehr als 32 Saisontore geschossen. Diese Marke übertraf Bure mit 34 Treffern schon 1992 in seiner ersten Saison bei den Canucks. Zweimal kam er über 60 Tore, in der letzten Spielzeit waren es 51. Ein typischer „Go-to-guy“, der die Dinge richtet, wenn allen anderen nichts mehr einfällt. „So was hatten wir bisher nicht“, sagt Ray Whitney, der mit 14 Treffern derzeit bester Panthers- Torschütze ist, „jetzt können wir auf die Rakete setzen.“

„Russian Rocket“ war in Vancouver Pavel Bures Spitzname, den er vor allem seiner immensen Scnnelligkeit verdankt. Diese demonstrierte er auch bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano, wo seine Tore Rußland halfen, die Silbermedaille zu gewinnen. „Er sorgt dafür, daß du dich bloß noch umdrehen und hoffen kannst, daß er daneben schießt“, sagt Floridas Verteidiger Rhett Warrener, der sich freut, daß er nun bloß noch im Training von Bure „veralbert“ wird und nicht vor Tausenden von Zuschauern. „Jeder kann Dinge in Höchstgeschwindigkeit tun“, sagt Ray Whitney über die Stürmer der NHL, „aber Bures Höchstgeschwindigkeit ist einfach größer.“ Bryan Murray, Manager der Florida Panthers, erhofft sich auch einen positiven Effekt für das Publikum: „Er kann die Leute mit seinem Tempo und seiner Brillanz von den Sitzen reißen.“

Ein Zuwachs an Brillanz, für den Murray teuer bezahlen mußte. Verteidiger Ed Jovanovski, die Mittelstürmer Dave Gagner und Mike Brown, Torhüter Kevin Weekes sowie ein Erstrundenpick im Draft 1999 oder 2000 gingen an Vancouver, dafür kamen neben Bure nur die wenig renommierten Defensivkräfte Bret Hedican und Brad Ference. „Wir haben aus dieser Sache alles rausgeholt“, meinte Canucks-Präsident Brian Burke, „einen solchen Spieler zu transferieren ist nicht einfach.“

Weitgehend unklar blieb, was Bure, der in der letzten Saison seines Fünfjahresvertrages rund acht Millionen Dollar in Vancouver verdient hätte, so vergrätzt hat. Ziemlich vage beklagt der Russe, der schon 1994 während seiner Vertragsverhandlungen damit gedroht hatte, das schließlich gegen die New York Rangers verlorene Stanley-Cup-Finale zu boykottieren, mangelnden Rückhalt bei der Klubführung. Burke erklärte jetzt, Bure hätte die „Fischsuppen-Atmosphäre“ in Vancouver satt gehabt. „Das ist ein Witz. So was habe ich nie gesagt“, schimpft der Spieler selbst, „die Leute dort waren äußerst nett zu mir.“ Dennoch ist er „sehr glücklich“, seinem eisigen Handwerk nun im warmen Florida nachgehen zu können. Glücklich sind vermutlich auch die Verteidiger bei ZSKA Moskau, die sich jetzt nicht mal mehr im Training veralbern lassen müssen. Matti Lieske

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