American Pie: Big Mac gegen Sammy
■ Die Baseballprofis McGwire und Sosa sind wieder auf Homerun-Jagd
I couldn't take one more step
Das in den meisten Sportarten, nicht aber im Baseball verbotene Mittel Androstenedione, das die Testosteronproduktion anregt, nimmt Mark McGwire nach eigener Aussage nicht mehr, die Homeruns schlägt er dennoch so zuverlässig wie eh und je. Nachdem der 36-Jährige bei der im ganzen Land euphorisch verfolgten „Homerun-Jagd“ des letzten Jahres den Ball 70 Mal ins Publikum oder aus dem Stadion beförderte und den 37 Jahre alten, vermeintlich ewigen Rekord von Roger Maris (61) deutlich überbot, ist der Spieler der St. Louis Cardinals auch in dieser Saison mit 47 „Homers“ gut im Rennen.
Gleichauf liegt allerdings seit Montag sein alter Rivale Sammy Sosa von den Chicago Cubs, der es vergangene Saison auf 66 Volltreffer brachte und diesmal die 47 schon nach 117 Spielen erreichte. Letztes Jahr brauchte er dazu 124 Partien. Nummer 47 wuchtete er mehr als 150 Meter weit auf die Terrasse des Front Row Restaurants im zweiten Stock des Stadions der Arizona Diamondbacks.
Deren Pitcher war kein Geringerer als Randy „Big Unit“ Johnson. Der führende Werfer der National League (NL) revanchierte sich, indem er Sosa drei Mal per Strike-out auf die Bank schickte, im ersten Inning mittels eines Fastballs, der über 160 Stundenkilometer schnell war. Arizona gewann gegen die Cubs mit 10:3.
Alles deutet wieder auf das rekordverdächtige Duell zwischen „Big Mac“ und „Slammin' Sammy“ hin, das seinen Höhepunkt finden wird, wenn die Teams der Beiden die letzte Serie zum Saisonende Anfang Oktober im Busch Stadium von St. Louis gegeneinander spielen. „Das wird aufregend“, sagt Sosa, sieht den Wettstreit diesmal aber ebenso wie McGwire wesentlich nüchterner, da es ja nicht mehr um eine historische Bestmarke wie die von Maris geht. „Es ist nicht wie letztes Jahr“, meint der Mann aus Chicago, während McGwire kategorisch und wahrheitswidrig erklärt: „Es gibt keine Homerun-Jagd.“ Man spiele nicht wegen der Homeruns, sondern „der einzige Grund, warum ein Spieler seine Uniform anzieht, ist, einen Titel zu gewinnen“. Davon sind seine Cardinals, derzeit an siebter Stelle der NL, jedoch ebenso weit entfernt wie im letzten Jahr.
Gar so riesengroß ist der nächste Schritt in die Tiefen der Baseball-Historie für Mark McGwire allerdings nicht mehr. Nachdem er kürzlich den Sprung in den nunmehr sechzehnköpfigen Klub der Spieler mit mehr als 500 Homeruns geschafft hat, traut ihm mancher zu, sogar den einsamen Rekord von Hank Aaron zu übertreffen, der in seiner Karriere die stolze Zahl von 755 Homers zustande brachte. „Das ist zu weit weg“, sagt McGwire, im Moment bei 504, doch Aaron selbst hält den großen Coup für möglich. „So, wie er die Homeruns schlägt, kann er den Rekord nächstes Jahr brechen“, übertreibt der 65-Jährige gelinde.
Mit seinen 36 Jahren denkt McGwire noch längst nicht an Rücktritt, aber der Schlüssel für ihn ist natürlich Gesundheit. Vor allem der Rücken macht ihm gelegentlich zu schaffen. Die Frage ist auch, ob er seine Leistung über die Jahre aufrecht erhalten kann. Hank Aaron beispielsweise hatte mit 36 schon 554 Home Runs, danach ging die Rate deutlich zurück, und in seinen letzten drei Karrierejahren schaffte er nur 52 insgesamt.
Fuchtig reagiert McGwire, wenn die Homerun-Flut der jüngeren Zeit mit der Aufstockung der Liga, anderen Bällen oder verbesserter Ausrüstung erklärt wird. „Jeder weiß, warum das passiert, die Leute sind eben verdammt gut. Schreibt das gefälligst“, raunzte er die Journalisten an. Man erlebe zur Zeit einfach ein neues „Goldenes Zeitalter“ des Baseball, ähnlich wie in den fünfziger und sechziger Jahren, als viele andere aus dem 500-Homer-Klub ihre große Zeit hatten. Was die Cracks damals mit ziemlicher Sicherheit nicht besaßen, ist Androstenedione. „Ich glaube immer noch nicht, dass daran etwas falsch ist“, sagt McGwire, der das Mittel in der Saisonvorbereitung noch ausgiebig verwendete. Er habe jedoch erkannt, dass „Kids es wegen mir nehmen“, und werde deshalb künftig darauf verzichten. „Die Jugend der Welt“, lobte NL-Präsident Len Coleman, „ist mit Marks Wertesystem prima bedient.“ Matti Lieske
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