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Ambulante Abtreibung in Ostberlin legal

■ Ein Rechtsgutachten des Abgeordnetenhauses bestätigt die Auffassung des Bündnis 90: Entgegendem Wortlaut des Einigungsgesetzes sind in Ostberlin ambulante Schwangerschaftsabbrüche erlaubt

Berlin. Bis zum heutigen Tag dürfen Westberlinerinnen etwas tun, was Ostberlinerinnen verboten ist: ambulant abtreiben. Diese verrückte Situation wurde durch den Einigungsvertrag verursacht, der im Westen den alten Paragraphen 218 des StGB weitergelten ließ und im Osten das DDR-Abtreibungsgesetz von 1972. Letzteres schreibt vor, daß Abtreibungen nur stationär in Kliniken vorgenommen werden dürfen. Ein vom wissenschaftlichen Parlamentsdienst für den Gesundheitsausschuß verfaßtes Rechtsgutachten kommt nun zu dem Ergebnis, daß das heute nicht mehr wörtlich genommen werden dürfe und auch in Ostberlin ambulante Abbrüche zulässig seien.

Seit fast einem Jahr schon versucht das Bündnis 90/ Grüne diese schizophrene Rechtslage zu ändern, die nicht nur für die Frauen, sondern auch für schätzungsweise hundert GynäkologInnen in Ostberlin gravierende Auswirkungen hat. Ihnen wird nämlich die Zulassung für die Durchführung von Abtreibungen in ihrer Praxis verweigert. Im Juli 1992 noch hatte der Senat in der Antwort auf eine kleine Anfrage von Sibyll Klotz (UFV) gar behauptet, es bestehe kein Bedarf für solche Zulassungen. Zum Vergleich: Im Westen werden an die 90 Prozent der Abtreibungen ambulant durchgeführt. Aber auch der Frauenausschuß des Parlaments sah keinen Handlungsbedarf und verwies auf den Wortlaut des Einigungsvertrages. Und im Gesundheitsausschuß sperrte sich die CDU-Fraktion und die Verwaltung unter CDU-Gesundheitssenator Peter Luther gegen jegliche Änderung. Wenigstens aber ließ sich der Ausschuß zur Bestellung des erwähnten Gutachtens erweichen.

Dessen Verfasserin kam nun ähnlich wie das Bündnis 90/ Grüne zu dem Schluß, daß man die Regelung angesichts des heute völlig geänderten Gesundheitssystems nicht mehr „ihrem Wortlaut gemäß“ anwenden könne. Auf dieser Grundlage hat der Ausschuß den Senat am letzten Donnerstag aufgefordert, die Zulassung für die FrauenärztInnen zu erteilen. Alle Mitglieder bis auf fünf CDU-Männer stimmten für die Vorlage, die wohl demnächst das Abgeordnetenhaus passieren wird. Wenn nicht noch das Bundesverfassungsgericht mit einer Entscheidung zum Paragraphen 218 dazwischenfunkt... usche

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