: Am Rande der Frau
■ Neu im Kino: „Kika“ von Pedro Almodovar, eine erlesen geschmacklose Komödie auf der Höhe der Zeit
Mit dem Titel ist Almodovar selber nicht sehr zufrieden: „Eigentlich könnte der Film auch Labyrinth der Leidenschaften, Womit habe ich das verdient? oder Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs heißen“, bemerkt er sehr richtig – aber so heißen nun mal schon andere Filme von ihm. Und nicht nur die Titel sind austauschbar, denn weil Almodovar solch ein hemmungsloser Eklektizist ist und in seinen Filmen die verschiedensten Charaktere, Genres und Plotschnipsel fröhlich zusammenwirft, verschwimmen die Grenzen zwischen seinen einzelnen Filmen.
Kika, die rettungslos optimistische Heldin seines neusten Werkes, scheint direkt aus dem Nervenzusammenbruch zu stammen, ein mörderischer Schriftsteller (gespielt von Peter Coyote) wirkt wie eine Figur, die Almodovar seit Matador mit sich herumschleppte, und das Durcheinander der sexuellen Gelüste zwischen Voyeurismus, lesbischer Liebe, Inzest, Lustmord und Mediengeilheit ist wie ein luxuriöser Anbau vom Labyrinth.
Mit seinem neuen Film hat sich Almodovar endlich vom internationalen Erfolg des Nervenzusammenbruchs erholt. Die Filme danach (Fessle mich und High Heels) waren angestrengte Versuche, mit kleindosierten Unartigkeiten im Mainstreamkino fußzufassen. Jetzt hat er endlich wieder einen Film nach seinem eigenen Gusto gemacht. Und man kann Pauline Kael wieder zustimmen, wenn sie sagt, daß er „der einzige bedeutende Regisseur ist, der Filme macht, um sich selber und sein Publikum damit zu kitzeln“.
Kika ist eine schwarze Komödie auf der Höhe unserer Zeit. Da gibt es die Moderatorin einer Reality-Show mit dem Titel „Das Schlimmste des Tages“, die in einem futuristischen Anzug mit integrierter Kamera über Leichen geht, um allerhand Mörder möglichst hautnah bei ihrer Arbeit zu filmen. Ein Pornodarsteller gerät in sexuelle Raserei, ein Serienmörder schreibt seine Memoiren – der ganz normale Irrsinn von heute wird hier mit Almodovars erlesener Geschmacklosigkeit verbraten.
Und es gibt wieder diese herrlich schrillen Frauengestalten. Victoria Abril, Rossy De Palma und Veronica Forque als Kika wirken wie hysterische Comicfiguren, die die Geschichte immer im Höchsttempo vorantreiben. Die Männer können ihnen nicht das Wasser reichen – vielleicht kann sich Almodovar deshalb Szenen leisten, die bei jedem anderen Regisseur spektakulär und frauenfeindlich wirken würden. Wilfried Hippen
Im Filmstudio täglich um 18.00 und 20.30 Uhr,
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