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Alu auf dem Vormarsch

■ Schule bekommt Aluminiumfenster / Öko-Baurichtlinien werden überarbeitet / PVC-Lobby reibt sich die Hände

Die Grundschule Kienhorststraße im Bezirk Reinickendorf soll mit etwa 250 Aluminium-Fenstern saniert werden. In Berlin gilt jedoch noch immer der rot-grüne Senatsbeschluß aus dem Jahr 1990, nach dem Aluminium und PVC aus ökologischen Gründen nur noch eingeschränkt in öffentlichen Gebäuden verbaut werden dürfen. Bündnis 90/Die Grünen wurden stutzig und fragten nach: Warum, so erkundigten sie sich in einer kleinen Anfrage beim Bezirksamt und Senat, sei es in Reinickendorf unmöglich, Fenster zum Beispiel aus Holz oder Stahl einzubauen.

Das Bezirksamt Reinickendorf und der Senat antworteten der Umweltpartei, der Werkstoff Aluminium sei aus Gründen der statischen Sicherheit und aus wirtschaftlichen Erwägungen ausgewählt worden. Damit stoßen sie genau in die Lücke des rot-grünen Senatsbeschlusses von 1990. Dort heißt es nämlich, Aluminium und PVC dürften nur dann in öffentlichen Gebäuden verwendet werden, wenn es „aus statischen, konstruktiven oder gestalterischen Gründen unabweisbar“ sei.

Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus, findet die Haltung der Bauverwaltung inkonsequent. Daß aus statischen Gründen weder Holz noch Stahl verbaut werden könnten, hält Ziemer für ein vorgeschobenes Argument.

In der Zwischenzeit ist der Stand der Dinge – zumindest auf dem Papier – schon wieder ein anderer: Ende September hat das Berliner Abgeordnetenhaus die unter Rot-Grün beschlossenen ökologischen Baurichtlinien, die die Verwendung von PVC und Aluminium bei öffentlichen Bauten verbieten, wieder aufgehoben. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte die FDP den Eilantrag eingebracht, das Verwendungsverbot für PVC an Fassaden aufzuheben, wenn es ein Recycling-System für diese Stoffe geben sollte. Die SPD hatte bei dem Thema glatt gepennt und mit zwei Stimmen Enthaltung die Aufhebung der Beschränkungen ermöglicht.

Die PVC-Industrie jubelte: „Wir werten das als Anerkennung und Ansporn für die in den letzten Jahren begonnene ökologische Modernisierung des bewährten Werkstoffs PVC“ heißt es im Fachblatt PVC und Umwelt.

Auf Nachfrage der taz teilte die Bauverwaltung allerdings mit, man bestehe weiterhin grundsätzlich auf dem Verzicht von Aluminium und PVC. Von Fall zu Fall müsse man jedoch auf diese Werkstoffe zurückgreifen. Derzeit werde noch geprüft, wie die neue politische Beschlußlage umgesetzt werden könne. Solange dieses Verfahren nicht abgeschlossen sei, würden weiterhin die alten Verordnungen gelten.

Die Herstellung von PVC und Aluminium ist sehr energieaufwendig, bei der Verbrennung von PVC entstehen Dioxine. Auch wenn der PVC-Fußboden in der Wohnung ausliegt, können die zugesetzten Weichmacher Gesundheitsschäden verursachen. Elke Gundel

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