Alternativer Nobelpreis für Thunberg: „Niemand war erfolgreicher“
Neben Greta Thunberg ehrt die Jury des Right Livelihood Award auch drei weitere „praktische Visionäre“. Wer sind sie?
Greta Thunberg werde geehrt, „weil sie der politischen Forderung nach dringenden Klimaschutzmaßnahmen weltweit Gehör verschafft hat“. Sie sei „die Stimme einer Generation, die die Folgen des politischen Versagens bei der Bekämpfung des Klimawandels tragen muss“, hieß es weiter. „Ihre Entschlossenheit, die drohende Klimakatastrophe nicht zu akzeptieren, hat Millionen von Jugendlichen inspiriert, gemeinsam mit Thunberg ihre Stimme zu erheben und sofortige Klimaschutzmaßnahmen zu fordern.“
Und was die Schwedin von vielen anderen Menschen unterscheide, die versuchen würden, die Notwendigkeit sofortiger Klimaschutzmaßnahmen deutlich zu machen: „Niemand war erfolgreicher als Thunberg. Ihre kompromisslose Art, den Mächtigen der Welt die Wahrheit zu sagen, findet einen enormen Widerhall. Greta Thunberg hat es geschafft, die Klimakrise nicht nur zur Schlagzeile zu machen, sondern sie auch im Bewusstsein der Menschen zu verankern.“
Unterstützung auch für MenschenrechtlerInnen
Unter 142 Nominierten aus 59 Ländern wählte die Preisjury in diesem Jahr neben Thunberg die Menschenrechtlerin Aminatou Haidar aus der Westsahara, die chinesische Juristin Guo Jianmei und den Sprecher der indigenen Yanomami-Bevölkerung Davi Kopenawa zusammen mit seiner Organisation Hutukara Associação Yanomami aus Brasilien für den alternativen Nobelpreis aus.
Der Preis war von seinem Gründer Jakob von Uexküll, der unter anderem zwischen 1984 und 1989 Europaparlamentarier der deutschen Grünen und danach zwei Jahre Vorstandsmitglied bei Greenpeace-Deutschland gewesen war, erstmals 1980 präsentiert worden und wird in diesem Jahr zum 40. Mal verliehen. Neben dem Preisgeld von jeweils einer Million Kronen (umgerechnet rund 95.000 Euro) pro PreisträgerIn biete man diesen auch „eine dauerhafte Begleitung sowie Hilfe, wenn deren Leben und Freiheit in Gefahr sind“, betonte Ole von Uexküll.
Die „sahrauische Ghandi“
Wie notwendig das ist und mit welchen Opfern der friedliche Einsatz für Menschenrechte verbunden sein kann, erfährt Aminatou Haidar mit dem Beinamen „sahrauische Gandhi“ seit über drei Jahrzehnten. Mit 21 Jahren war die jetzt 53-Jährige erstmals verhaftet worden, weil sie an einer Demonstration für eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der von Marokko annektierten Westsahara teilgenommen hatte. Eine Annexion, die – so die Right Livelihood-Jury – „die internationale Gemeinschaft noch immer duldet oder sogar aktiv unterstützt“.
Haidar, die Demonstrationen organisiert, Folter dokumentiert, mehrfach in den Hungerstreik getreten war, um auf die Menschenrechtsverletzungen gegen ihr Volk aufmerksam zu machen, und Mitbegründerin und Präsidentin der Menschenrechtsorganisation Collective of Sahrawi Human Rights Defenders (CODESA) ist, habe „einen entscheidenden Anteil daran, internationale Aufmerksamkeit auf die ungelöste Westsahara-Frage zu lenken – ein Thema, das von den Vereinten Nationen, der EU und den Medien bis heute vernachlässigt wird“.
Ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert, geschlagen und gefoltert, habe Haidar vier Jahre in einem geheimen Gefängnis, isoliert von der Außenwelt, verbracht. Aber trotz Morddrohungen, Angriffen und Schikanen, die sich gegen sie und ihre beiden Kinder richten, setze sie sich „unermüdlich für eine politische Lösung eines der längsten ungeklärten Konflikte der Welt ein“: „Zugleich versucht Haidar der jungen Generation von Sahrauis den Wert gewaltfreien Widerstandes zu vermitteln.“ Neben anderen Ehrungen war Haidar 2009 mit dem „Bremer Solidaritätspreis“ ausgezeichnet worden.
Kämpferin für Frauenrechte in China
Auch für die chinesische Rechtsanwältin Guo Jianmei ist der alternative Nobelpreis nicht die erste Ehrung. 2010 hatte sie den Simone-de-Beauvoir-Preis und 2011 den vom US-Außenministerium vergebenen „International Women of Courage Award“ erhalten. Sie sei „eine der bedeutendsten Frauenrechtsanwältinnen Chinas“, heißt es in der Preisbegründung der Jury. Als erste Anwältin des Landes, die hauptberuflich in der gemeinnützigen Rechtshilfe tätig war, hätten die 57-Jährige und ihr Team seit 1995 mehr als 120.000 Frauen kostenlosen Zugang zur Justiz verschafft und sich „beharrlich mit der Ungleichbehandlung von Frauen im Justizsystem auseinandergesetzt und dazu beigetragen, das Gleichberechtigungsbewusstsein in China zu stärken“.
2005 hatte Guo das China Public Interest Lawyers Network gegründet, über das nun 600 Rechtsanwältinnen kostenlose Rechtshilfe leisten und über das auch „im ländlichen China, wo patriarchalische Strukturen noch tief verwurzelt sind, rechtliche Unterstützung für Frauen angeboten wird“. In einem Land, „wo jede vierte verheiratete Frau häusliche Gewalt durch den Ehemann erfährt und geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz zum Alltag gehört“, wirke sich diese Arbeit „positiv auf das Leben von Millionen von Frauen aus“.
Indigenen Gemeinschaften in Brasilien
Das Volk der Yanomami gehört mit rund 35.000 Mitgliedern zu den bevölkerungsreichsten indigenen Stämmen Brasiliens. Ihr Territorium zählt zu den wichtigsten Reservoirs genetischer Vielfalt der Welt und ihr Lebensraum ist durch den Raubbau im Amazonas bedroht. Davi Kopenawa vom Volk der Yanomami ist einer der angesehendsten Sprecher der indigenen Völker Brasiliens und spiele eine entscheidende Rolle dabei, „indigene Gemeinschaften zusammenzubringen, um sich gemeinsam gegen Bergbau, Viehzucht und andere Wirtschaftsinteressen zu wehren, die das Land und die Lebensgrundlage der Yanomami zerstören“, heißt es in der Begründung für seinen alternativen Nobelpreis: „Er war maßgeblich daran beteiligt, dass 1992 ein über 96.000 Quadratkilometer großes Areal in Brasilien zum Yanomami-Schutzgebiet erklärt wurde. Kopenawas langjähriger Aktivismus hat ihm viele mächtige Feinde eingebracht. Er ist fortdauernd Morddrohungen ausgesetzt.“
Der 63-Jährige ist Mitbegründer und Präsident der 2005 gegründeten Hutukara Associação Yanomami, die die unterschiedlichen Yanomami-Gemeinschaften in Brasilien vertritt und die Rechte der indigenen Bevölkerung im Land fördert. „Angesichts des rapiden Rückgangs der Artenvielfalt und der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels ist das Wissen der Yanomami darüber, wie sie ihr Land zum Wohle aller erhalten und nachhaltig bewohnen können, von höchster globaler Bedeutung“, betont die Right-Livelihood-Stiftung und stellt die jetzige Ehrung Kopenawas in einen direkten Zusammenhang mit „der erneuten Bedrohung der Rechte und der Territorien der indigenen Völker unter der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro“.
Was alle PreisträgerInnen laut Stiftungsdirektor Ole von Uexküll verbindet: Sie bewiesen eindrucksvoll, dass jede und jeder Einzelne die Möglichkeit habe, Veränderungen zu bewirken. Die Verleihung der Preise findet im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung am 4. Dezember in Stockholm statt. An ihr soll auch der 2014 mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnete Edward Snowden per Liveschaltung aus Moskau teilnehmen.
Ob Greta Thunberg, die nach Astrid Lindgren, die den Preis 1994 erhalten hatte, die zweite mit dem alternativen Nobelpreis geehrte Schwedin ist, für die persönliche Entgegennahme des Preises die Reise über den großen Teich antreten wird, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Sie hatte angekündigt, an der Klimakonferenz COP23 teilnehmen zu wollen, die vom 2. bis 13. Dezember in Santiago de Chile stattfindet. Von der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter zu weiteren Plänen interviewt, sagte sie vor einigen Tagen: „Sollte ich eine Einladung nach China erhalten, würde ich versuchen, dorthin zu reisen.“ Und Greta Thunberg ist auch eine von 209 für den diesjährigen Friedensnobelpreis nominierten Personen. Wer ihn erhält, wird am 11. Oktober in Oslo bekannt gegeben.
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