Das Bremer Desaster der SPD

WAHL Die „große Volksparteien“ SPD und CDU gibt es nur noch bei der Generation „60plus“. Im Viertel haben Grüne und Linke die absolute Mehrheit. Die SPD stürzte beispiellos ab

Agnes Alpers kam sicher rein, Torsten Staffeldt knapp. Erstmals seit 1987 hat Bremen sechs MdBs

VON KLAUS WOLSCHNER

„Das gab es seit 1987 nicht mehr“, sagte gestern der Bremer Wahlleiter Jürgen Wayand. Und meinte die vier über Landeslisten in den Bundestag einziehenden KandidatInnen. Bei Marieluise Beck und Bernd Neumann hatte man damit gerechnet, „Sehr überraschend“ aber sei das Ergebnis bei Agnes Alpers (Linke) und Torsten Staffeldt (FDP). Letzterer hat den Sitz nur knapp errungen – nur etwa 1.200 Stimmen mehr als erforderlich.

Wayand wartete mit einer langen Listen von Superlativen auf. Die 12,6 Prozentpunkte Verlust der SPD – beispiellos. Nie habe eine Partei in Bremen zweistellig verloren. Seit 1953 lag die SPD immer über der 40-Prozent-Marke. Im Jahre 2005 bekam die SPD noch 155.000 Stimmen im Lande Bremen, diesmal nur 102.000.

Bei der CDU fielen die absoluten Verluste moderat aus: Von 82.000 sank sie auf 80.000, was wegen der geringeren Wahlbeteiligung einen Prozentpunkt plus ausmacht. Nur in einem Wahlbezirk hat die CDU mehr Stimmen als die SPD – in Oberneuland.

Gewinner der Wahlen, so die Statistiker, sind die drei kleinen Parteien. Die Grünen haben ihre Wahlerfolge von 2005 ausbauen können, die Linke hat sich „mit einem Sprung etabliert“ als weitere parlamentarisch repräsentierte Kraft. Sie hat diesmal auch in Stadtbezirken mit sozialen Problemlagen Ergebnisse bei 10 Prozent erreicht. Die FDP ist die klassische „bürgerliche“ Partei: In Oberneuland kam sie auf 21 Prozent, in Arbeiter-Milieus kam sie knapp über fünf Prozent.

Erstmals in der bremischen Wahlgeschichte sind die Nichtwähler mit 29,9 Prozent mit Abstand die „stärkste Partei“. Denn rechnet man sie mit, dann repräsentiert die SPD gerade 20 Prozent, die CDU 16,5 Prozent, die drei „kleinen“ Parteien haben zwischen 10,6 (Grüne) und 7,3 (FDP) Prozent. Die höchste Enthaltungs-Quote – rund 40 Prozent – haben die klassischen SPD-Wahlbezirke mit einer hoher Dichte an sozialer Problemlagen. Die niedrigste Enthaltungs-Quote gibt es in den wohlhabenden Stadtbezirken.

Überraschend ist die Wahlanalyse auch, wenn man nach Altersgruppen differenziert. Die „großen Volksparteien“ gibt es praktisch erst in den Wählergruppen jenseits der 60 Jahre. Für alle Wählergruppen unter 60 ist die CDU eine „kleine“ Partei, überflügelt meist von den Grünen und bei der Gruppe der 45-60-Jährigen von der Linken. Die SPD ist „stärkste Partei“ auch bei den WählerInnen unter 60, aber das nur knapp. Erst bei „60plus“ kommt die CDU mit 32,9 knapp und die SPD mit 37,6 deutlich über die 30-Prozent-Marke. Diese Zahlen lassen die Erwartung zu, dass der Abstand zwischen den fünf Parteien sich weiter verringern wird.

In den Stadtteilen ist die Spaltung dagegen tiefer denn je: Im Steintor kommen Grüne (35,8) und Linke (21,3) auf eine klare absolute Mehrheit – CDU (10,7) und FDP (5,6) sind die „Kleinen“. In Oberneuland ist es umgekehrt: CDU (41,5) und FDP (21,6) haben die große „Mehrheit“, Grüne (10,1) und Linke (5,1) sind die Splitterparteien.

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