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Alte Werft unterm Gewerbegebiet

■ In Seehausen buddelt ein Archäologe eine viele hundert Jahre alte Werft aus dem Morast / Unter dem Güterverkehrszentrum werden weitere wertvolle Gegenstände aus dem späten Mittelalter vermutet

Der Mann sieht aus, als hätte er sich ausgiebig in einem Matsch-Loch gesuhlt und dabei so richtig Spaß gehabt. „Jetzt sind sogar die Mützenschnüre voller Lehm“, sagt Christian von Fick gelassen am Ende seines Arbeitstages. Und auch seiner Tochter klebt der Schlamm bis übers Knie an der Kleidung. Die beiden verbringen derzeit ihre Tage im Seehauser Morast, in der Nähe des Güter-Verkehrs-Zentrums. Das Bremer Gewerbe-Ansiedlungs-Prestige-Objekt frißt sich langsam aber stetig vom Neustädter Hafen über die grüne Marschlandschaft gen Seehausen. Bald werden dort, wo die Ficks derzeit graben, schnurgerade Betonstraßen das Gelände für neuanzusiedelnde Speditionen und andere Gewerbebetriebe erschliessen.

Christian von Fick ist Grabungstechniker beim Bremer Landesarchäologen. Und seine momentane Arbeit hat auch etwas mit Gewerbe zu tun, mit Gewerbe, wie es vor einigen hundert Jahren betrieben wurde. Fick birgt lange, stabile Rundhölzer, die so etwa 3 Meter tief im Boden verankert sind, eine insgesamt 14,5 Meter lange Holzanlage. Eine Werft aus dem Mittelalter? Schon möglich, meint Fick. Zumindest ein einmaliger Fund, der Aufschluß über den Schiff-Bau zum Ende des Mittelalters geben könnte. Denn hier, im Seehauser Niedervieland stand vom Beginn

dieses Jahrtausends bis zum 15. Jahrhundert eine Siedlung. Die Bewohner lebten vermutlich von der Fischerei. Ihre Häuser standen auf Wurten, künstlich aufgehöhten Erdhügeln, die vor der Flut schützen sollten. „Wüstung Stelle“, wird die Ansiedlung in alten Dokumenten genannt. Ein paar Meter von den Erdaufwerfungen entfernt strömte ein Fluß, vielleicht ein Seitenarn der Weser, vielleicht war es auch die Ochtum.

Daß es in dieser Gegend für Archäologen Spannendes zu entdecken gibt, wußte schon der ehemalige Landesarchäologe Karl-Heinz Brand. Er hatte die „Wüstung Stelle“ nach einigen kleineren Funden in die Liste der bremischen Bodendenkmäler eintragen lassen. Brand ging vor einem Jahr in den Ruhestand, ein Nachfolger wird demnächst zwischen drei BewerberInnen ausgesucht. Systematische Analysen des Gebietes fanden jedoch nicht satt. „Großflächige Untersuchungen sind verschlafen worden. Das hätte man machen müssen, bevor man anfing zu bauen“, kritisiert Christian von Fick heute. Die Werft wurde denn auch mehr zufällig gefunden.

47 der 118 georteten Rundbalken hat der Grabungstechniker seit September aus dem Boden gezogen. Eine mühsame Arbeit. Jeden morgen muß erst zwei Stunden Wasser abgepumpt werden,

ehe er ins Schlammloch steigen kann. Wie lange es noch dauern wird, bis die gesamte Anlage abgebaut, kartiert und zum Schiff- fahrts-Museum nach Bremerhaven gebracht worden ist, weiß er noch nicht. Doch die Zeit drängt. Denn just über die Grabungsstelle soll eine Straße führen. Und die

soll wegen des morastigen Untergrundes, der Wasserspiegel liegt nur ein paar Zentimeter unter der Erdoberfläche, bei Frost gebaut werden. Fick setzt darauf, daß das Hafenbauamt die Straße notfalls ein paar Meter an der Grabungsstätte vorbeiführt.

Der Leiter des Schiffahrtsmu

seums, Professor Ellmers, kann die Bedeutung der „schifffahrtsbezogenen Anlage“, wie er vorsichtig formuliert, noch gar nicht abschätzen. Immerhin: „Ich habe schon viele Hafenausgrabungen gesehen. So etwas kenne ich nicht.“

hbk

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