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Archiv-Artikel

Alte Leidenschaft

Zwei Gitarren, zwei Stimmen, zwei Mikros, zwei Körper: The Kills ließen im Postbahnhof die Funken sprühen

Wenn eine „The“-Band in der Stadt ist, sollte man sich schnell um Karten kümmern. Oft gähnt einen sonst am Eingang nur noch eine leere Kasse an und hält ein „Sold out“ hoch. Das ist auch bei The Kills, dem nun schon etwas länger währenden Hype aus London, nicht anders. Gut, wenn man sicherheitshalber auf der Gästeliste steht und für den verzweifelten Kartenbettler am Eingang wenigstens einen Kaugummi übrig hat.

Drin bietet sich ein überraschendes Bild: Der neue, schicke Konzertort „Postbahnhof“, der in seiner Aufgeräumtheit über den alten und nebenan in Trümmern liegenden Konzertort „Maria“ zu triumphieren scheint wie das alte über das neue System – er ist voller alter Säcke. Die tragen in der Hauptsache Lederjacken oder -joppen und bestellen an der Bar außer Bier eine Menge Rum-Cola. Die erwarteten Horden jugendlicher Indie-Fans sind irgendwo, nur nicht hier. Mädchen sind ebenfalls in der Unterzahl, und langsam schwant mir, was hier vor sich geht: So sehen sie also immer noch aus, die Freunde von Rock und Blues und Gitarren. Irgendwie trotzdem schön zu sehen, dass diese halbglatzköpfigen Sozialarbeitertypen weiter auf der Suche nach neuen Helden sind, statt zu Hause einfach nur Dead Moon auf Heavy Rotation abzuspielen.

Und wie ich da gerade an Dead Moon denke, fallen mir plötzlich ganz viele andere Pärchenbands ein, die mich an The Kills erinnern, ich nenne mal zwei: Natürlich die White Stripes, vor allem aber Boss Hog. So wie sich die schöne und langmähnige Frau Kill, genannt VV, mit ihrem Mikrofonständer immer wieder dem Herrn Kill, genannt Hotel, zuwendet (und er sich ihr), hat das viel von dem sexy Funkensprühen, das bei allen Auftritten des Ehepaars Spencer den Saal zum Kochen bringt.

Auch bei den Kills leben Musik und Show von der Zweisamkeit, von einem derart sicht- und spürbaren Aufeinander-Bezogensein, dass es einem vor Lust und Furcht zugleich kalt den Rücken runterläuft. Zwei Gitarren, zwei Stimmen, zwei Mikrofone und zwei Körper, die sich immer wieder entgegenzucken, das reicht, den Rest übernimmt ein Drumcomputer. Diese totale Reduktion ist aber vielleicht auch der Grund, dass die Ekstase immer nur kurz währt, wenn beide Gitarren nämlich ein besonders lautes und tolles Riff spielen und VV hinter dem Vorhang aus schwarzem Haar ihre Refrains ausspuckt, wieder und wieder, wie eine Beschwörung. Es geht um Liebe und Hass, das alte Leidenschaftsding, das sich mit nichts so gut erzählen lässt wie mit der Gitarre. LORRAINE HAIST